Die türkis-grüne Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat die Regierungsvorlage zum Gesetzespaket gegen Hass im Netz beschlossen. In dieser wurden die Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren berücksichtigt und mehrere Nachjustierungen vorgenommen. So gelten die Bestimmungen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen nur für große, auf Profit ausgerichtete Plattformen.
Plattformen, die von dem Gesetz betroffen sind, müssen innerhalb von 24 Stunden nach einer Meldung, rechtswidrige von Usern verfasste Beiträge entfernen. Eine weitere Ausnahme gibt es für Videos auf "Video-Sharing-Plattformen" wie Youtube. Diese sind - ebenso wie Enzyklopädien, Handels- und Bildungsplattformen sowie nicht gewinnorientierte Plattformen - von den neuen Regeln des Kommunikationsplattformen-Gesetzes ausgenommen. Dies deshalb, weil für Videodienste eine eigene EU-Richtlinie greift, derzufolge gegen potenziell illegale Inhalte am Sitz des jeweiligen Unternehmens vorgegangen werden muss.
Im Bundeskanzleramt hieß es dazu, dass Kommentare auf Youtube sehr wohl unter das Melde- und Sanktionsregime des neuen Gesetzes fallen. Bezüglich der Videos gelte aufgrund der "Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie" aber ein "strenges Herkunftslandprinzip". Außerdem wird betont, dass die Ausnahme nicht für Videos in allen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram gelte, sondern lediglich für dedizierte "Video-Sharing-Plattformen".
Onlineplattformen als Echokammer
Die für das Gesetzespaket zuständigen Ministerinnen Alma Zadic (Grüne) und Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigten sich im Pressefoyer nach dem Ministerrat von ihrem Werk begeistert. "Ein guter Tag beginnt mit einer Regierungsvorlage gegen Hass im Netz", sagte Edtstadler. Ihr sei ein "ordentliches Begutachtungsverfahren" wichtig gewesen, und nach diesem habe man nun das Feintuning vorgenommen.
Hass im Netz verbreite sich unkontrollierbar. Und der Terroranschlag in Wien habe gezeigt, dass aus diesem Hass Gewalt in der analogen Welt werden könne. Onlineplattformen bilden hier oft eine Echokammer. "Hass und Gewalt im Netz begleiten uns schon lange. Und den Worten können rasch Taten folgen", ergänzte Zadic. "Für dieses gesamtgesellschaftliche Phänomen, braucht es umfassende Lösungen." Mit dem heute beschlossenen "umfassenden Paket" habe man zum einen die Plattformregulierung geschaffen und zum anderen das Zivil- und Strafrecht angepasst, so die Justizministerin. "Das große Ziel war es, dass Betroffene schneller und kostengünstiger zu ihrem Recht kommen, ihnen Werkzeuge in die Hand zu geben, um sich gegen Hasspostings zur Wehr setzen zu können."
Neues Eilverfahren
Das werde mit dem neuen Eilverfahren mittels Antrag auf Unterlassung beim Bezirksgericht bewerkstelligt, erklärte Zadic. Damit könne man binnen weniger Tage eine Löschung beim Täter oder bei der Plattform beantragen. Man sei aber auch auf die Bedenken im Begutachtungsverfahren eingegangen und habe mehre Präzisierungen vorgenommen, etwa bezüglich der Datensicherheit oder der Neufassung der Persönlichkeitsrechte, die die NS-Opfer- und Täterforschung erschweren hätte könnte. Hier habe man Wissenschaft und Kunst ausgenommen. Beim Upskirting wird das reine Fotografieren nur mit bis zu sechs statt zwölf Monaten Freiheitsstrafe sanktioniert. Werden die Bilder auch verbreitet, bleibt es bei einem Jahr.
In Kraft treten sollen die neuen Regeln mit 1. Jänner. Beschlossen werden können sie frühestens Anfang Dezember. Bis dahin läuft eine "Stillhaltefrist" (3. Dezember), um der EU-Kommission und den anderen Mitgliedsländern Zeit für allfällige Einwände zu geben. Dies deshalb, weil das neue "Kommunikationsplattformen-Gesetz" in die im Europa geltende Dienstleistungsfreiheit eingreift.
Das Gesetzespaket im Detail
REICHWEITE & AUSNAHMEN: Das neue "Kommunikationsplattformen-Gesetz" gilt für "in- und ausländischen Anbieter von Kommunikationsplattformen", die mehr als 100.000 Nutzer oder einen Umsatz in Österreich von über 500.000 Euro haben und die - das ist neu - gewinnorientiert arbeiten. Nicht kommerzielle Plattformen werden also ausgenommen. Gänzlich ausgenommen sind außerdem Handelsplattformen wie "willhaben", Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Bildungsangebote und Medienunternehmen. Ebenfalls neu ist die Ausnahme für Videos auf Videoplattformen wie Youtube und in sozialen Medien wie Facebook oder Instagram. Gegen potenziell illegale Videos soll - entsprechend einer EU-Richtlinie - nicht in Österreich, sondern am Sitz der jeweiligen Firma vorgegangen werden. Eine Klarnamenpflicht für Nutzer ist generell nicht vorgesehen.
MELDUNG & LÖSCHUNG: Die Plattformen müssen einen für Behörden und Gerichte erreichbaren, deutschsprachigen Beauftragten nominieren und ein "wirksames und transparentes Verfahren" für die Meldung und Löschung rechtswidriger Inhalte einrichten. Gelöscht werden muss binnen 24 Stunden, wenn die Rechtswidrigkeit "bereits für einen juristischen Laien (...) offenkundig" ist, bzw. binnen 7 Tagen, wenn eine detaillierte Prüfung nötig ist. Über Anzahl und Ergebnis der Meldungen sind jährlich (bzw. ab einer Mio. Nutzern halbjährlich) Berichte zu veröffentlichen.
- Umgekehrt soll es aber auch ein Beschwerdeverfahren für die von Löschung oder Sperre betroffenen User geben, um "Overblocking" zu vermeiden. Für eine allfällige Strafverfolgung sind die gelöschten Postings zumindest zehn Wochen zu speichern. Und in der Strafprozessordnung wird geregelt, dass Opfer bei Gericht die Ausforschung des mutmaßlichen Täters beantragen kann (aus Datenschutzgründen wird aber sichergestellt, dass das Opfer nur die dafür notwendigen Daten erhält).
STRAFEN & SANKTIONEN: Sollten Nutzer mit dem Beschwerdeverfahren unzufrieden sein, können sie sich an die Medienbehörde KommAustria wenden. Diese kann bei wiederholten Verstößen Geldstrafen bis zu 10 Mio. Euro verhängen. Sollte eine Onlineplattform keinen Sitz in Österreich haben, will man die Strafen eintreiben, indem Zahlungen österreichischer Firmen an die Plattform "abgefangen" werden (also z.B. die Zahlungen von Werbekunden an das Online-Unternehmen). Möglich sind auch Geldstrafen gegen die von den Firmen nominierten Beauftragten (bis 10.000 Euro statt bis 50.000 im ersten Entwurf).
MANDATSVERFAHREN: Erleichtert werden Unterlassungsklagen gegen "Hasspostings" ("Verletzung der Menschenwürde in einem elektronischen Kommunikationsnetz"). Gerichte haben einen Unterlassungsauftrag auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung der Gegenseite zu erlassen, wenn sich die behauptete Rechtsverletzung aus der Klage schlüssig ableiten lässt. Dazu soll es ein Formblatt auf www.justiz.gv.at geben.
UPSKIRTING: Neu geschaffen wird eine Strafbestimmung gegen "unbefugte Bildaufnahmen" des Intimbereichs. Damit wird das sogenannte "Upskirting" verboten und mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft (bzw. ein Jahr, wenn die Bilder veröffentlicht werden). Dies erfasst etwa auch heimliche Bildaufnahmen auf der Toilette oder in der Umkleidekabine, nicht aber Aufnahmen in Badebekleidung im öffentlichen Raum.
VERHETZUNG & CYBERMOBBING: Gegenüber der bestehenden Rechtslage nachgeschärft wird die "Verhetzung": Derzeit ist nur die Hetze gegen ganze Personengruppen strafbar. Künftig wird auch bestraft, wer gegen Einzelpersonen hetzt, weil sie einer gewissen Religionsgemeinschaft oder Ethnie angehört oder eine Behinderung hat (dies konnte bisher nur als Beleidigung geahndet werden). Der Strafrahmen bleibt mit bis zu zwei Jahren Haft unverändert. Verschärft wird auch das "Cybermobbing", das künftig schon ab dem ersten Posting (und nicht nur, wenn es "fortgesetzt" erfolgt) strafbar sein kann.
MEDIENRECHT: Deutlich angehoben werden die Schadenersatzansprüche für Personen, die durch Medien in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt werden. Derzeit sind maximal 50.000 Euro Entschädigung möglich. Künftig sollen es bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die journalistische Sorgfalt bis zu 100.000 Euro sein. Trotz Kritik weiter geplant: auch Unternehmen sollen gegen Medien vorgehen können, wenn unzulässige Berichte über bzw. Hasspostings gegen Mitarbeiter das Ansehen der Firma schädigen.
Dass ein Teil der Neufassung der Persönlichkeitsrechte auch für Verstorbene die NS-Opfer- und Täterforschung "erheblich erschweren" könnte, wie Historiker kritisiert hatten, wurde berücksichtigt. Wissenschaft und Kunst wird nun eine Sonderstellung eingeräumt. Außerdem gibt es mit Ausnahme engster Verwandter eine Zehnjahresfrist für den postmortalen Persönlichkeitsschutz.