Es ist ein drastischer Appell, den die Regierung an die Bevölkerung richtet: "Bitte treffen Sie niemanden!" sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Samstag bei der Präsentation der neuen Maßnahmen: "Verbringen Sie nur Zeit mit Menschen, mit denen Sie im gemeinsamen Haushalt leben." Wer allein lebt, soll eine Person wählen, mit der für die nächsten drei Wochen persönlich Kontakt gehalten wird.
Der zweite harte Lockdown sei zwar ein enormer Eingriff ins Grundrecht der Bevölkerung, doch "wir wissen, dass es in vielen Spitälern schon sehr knapp ist und wir uns keine Zeitverzögerung mehr leisten können", erklärte dann auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am späten Abend noch in der ZIB2.
Lockdown bis zum 6.12.
Seit zwölf Tagen sind die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Trotzdem hat sich das Infektionsgeschehen nicht ausreichend stabilisiert. Deshalb verkündeten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer ab Dienstag geltende, strenge Maßnahmen. Sie sind bis einschließlich 6. Dezember. geplant.
Kogler: "Es ist echt ernst."
"Ich möchte bewusst an die Bilder aus den Intensivstationen in anderen europäischen Ländern erinnern," sagt Vizekanzler Kogler: "Es ist echt ernst." Jeder, der in Österreich ein Intensivbett braucht, soll weiterhin eines bekommen. Er appelliert daran, so viel wie möglich zu Hause zu bleiben und auf Treffen zu verzichten. Es gehe um das Leben der Nachbarin, des Onkels, der Oma "und vielleicht um Ihr eigenes Leben".
Handel, Schulen und Kindergärten werden – mit Ausnahmen – für die nächsten Wochen geschlossen. "Für diejenigen, die es brauchen, bleiben die Kindergärten und Schulen offen", betont Kogler: Es gebe Betreuung und Lernunterstützung vor Ort, für alle, die es brauchen. Auch wer im Homeoffice konzentriert arbeiten muss, werde diese Möglichkeit in Anspruch nehmen müssen, so Kogler. Welche Regelungen für die einzelnen Schulstufen gelten, vor allem wenn der Unterricht ab dem 7. Dezember wieder in den Schulen stattfindet, hat Bildungsminister Faßmann später in einer Pressekonferenz erläutert.
Der zweite Lockdown sei auch aufgrund der dunklen Jahreszeit schwieriger, als der erste im Frühling. Wenn die gemeinsame Anstrengung jedoch gelingt, so Kogler, könne man Weihnachten hoffentlich mit Familien und Freunden verbringen.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober verwies auf die ähnlich schlechte Entwicklung in anderen Ländern. Seit dem 23. Oktober steigt die Infektion in Österreich besonders dramatisch an. Im ersten Lockdown im Frühjahr sei es gelungen, die Bewegungen in Österreich um 50 Prozent zu reduzieren. Das sei durch die bisher geltenden Maßnahmen nicht gelungen. "Wir haben die Verantwortung, die Notbremse zu ziehen", so Anschober. "Der Bremsweg von einer Maßnahme bis zur Auswirkung in den Spitälern beträgt rund zwei Wochen." Indes hagelt es Kritik von der Opposition. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner etwa nennt den Lockdown ein "Schuldeingeständnis".
"Polizei wird durchgreifen"
Innenminister Karl Nehammer wirbt für Verständnis für Polizisten, die die Einhaltung der Verordnung in den nächsten Wochen durchsetzen müssen. "Das Coronavirus ist eine Zumutung", sagt Nehammer, "Es zipft jeden an, sich an die Maßnahmen zu halten – das ist uns bewusst. Aber es braucht jetzt einen gemeinsamen Schulterschluss." Die Polizei werde bei Missachtung zuerst in eine Dialog treten, aber auch dort durchzugreifen, wo es notwendig ist: "Weil es um viel geht", so Nehammer.
Keine Gottesdienste während des Lockdowns
Religiöse Bedürfnisse zu stillen sind zwar explizit als Ausnahme definiert, für die man außer Haus gehen kann. Allerdings haben die Kirchen freiwillig darauf verzichtet, Gottesdienste abzuhalten, so Kurz. Im Vorfeld hatte es dazu ein direktes Gespräch des Bundeskanzlers mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz gegeben. Kurz dankte Erzbischof Lackner und den anderen Kirchen und Religionsgesellschaften ausdrücklich, dass sie freiwillig öffentliche Gottesdienste aussetzen wollen. Nur mit den neuen Einschränkungen des Lockdowns könne man "die Vorweihnachtszeit und das Weihnachtsfest retten", so Kurz.
Lackner skizzierte in einer Aussendung das Vorghen der katholischen Kirsche: "Ähnlich wie beim Lockdown im Frühjahr werden die Kirchen für das persönliche Gebet offen bleiben", informierte Lackner über die Grundzüge der geplanten Änderungen. "Öffentliche Gottesdienste und kirchliche Veranstaltungen werden aber weitestgehend und zeitlich befristet ausgesetzt. Gottesdienste können dann wie im Frühjahr nur in verschlossenen Räumen und im kleinsten Kreis stellvertretend für die Gemeinde gefeiert werden." Damit sei gesichert, dass die Eucharistiefeier stattfindet und man über die Medien mitfeiern kann. Darüber hinaus sei auch im Lockdown die seelsorgliche Begleitung von Kranken und Sterbenden weiterhin möglich.
Veronika Dolna