Die "Light"-Variante des Lockdowns seit vergangener Woche hat nicht geholfen: Ab nächster Woche wird Österreich ähnlich wie im Frühjahr "heruntergefahren", um die Covid-Infektionszahlen unter Kontrolle zu bringen. Eine Ausweitung der Maßnahmen sei "alternativlos". Die Verschärfungen werden heute Nachmittag in einer Regierungs-Pressekonferenz ab 16.30 Uhr verkündet, vieles wurde vorab bekannt, darunter die neuen Ausgangsregeln.
Zur Debatte stehen im Wesentlichen vier große Themenkreise:
- Wie weiter mit den Schulen? In den vergangenen Tagen ist die Frage, ob nicht mehr nur Oberstufen auf "distance learning" umgestellt werden, sondern auch alle Pflichtschulen, zu einer Glaubensfrage geworden. Während sich führende Wissenschaftler für eine Schließung aussprechen (mit Ausnahme von Betreuung jener Kinder, auf die zuhause niemand aufpassen kann), hat die Corona-Kommission des Bundes gestern dagegen votiert. Die Regierung wird aber wohl der Empfehlung der Wissenschaftler folgen: Ab Dienstag sind vermutlich alle Schulen geschlossen. Schrittweise hochfahren will man sie ab 6. Dezember. Fix ist, dass betreuungspflichtige Kinder, für die es keine Alternativen gibt, weiter zur Betreuung in die Schule gebracht werden können.
- Handel, Dienstleistungssektor: Des Personals wegen kaum von der Schulfrage zu trennen – wer arbeiten geht, muss seine Kinder schließlich irgendwo unterbringen – sind der Handel und der Dienstleistungssektor: Im Frühjahr wurde er mit Ausnahme essenzieller Geschäfte – Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken – komplett geschlossen. Das wird ab Dienstag bis zumindest 6. Dezember wieder der Fall sein. Was der Regierung dem Vernehmen nach große Kopfschmerzen bereitet: Ein so großzügiger Umsatzersatz, wie ihn die vom bereits bestehenden Teil-Lockdown betroffenen Wirte erhielten, ist für den Handel praktisch undenkbar. Während Gastrobetriebe 80 Prozent des Umsatzes von November 2019 vom Staat ersetzt bekommen, wenn sie dafür keine Mitarbeiter kündigen, ist das angesichts der enormen Umsätze im Handel praktisch unleistbar. Somit ist klar, dass hier ein eigenes Hilfsschema herhalten muss, wenn Geschäfte wieder im großen Stil geschlossen werden.
- Homeoffice-Pflicht: Wie eine Auswertung anonymisierter Handy-Daten durch Google zeigt, ist seit Allerheiligen die Anwesenheit an Arbeitsstätten um rund ein Drittel gesunken – wohl auch eine Folge, dass die Regierung abermals die Empfehlung ausgesprochen hat, wo möglich aus dem Homeoffice zu arbeiten. Nur: im Frühjahr betrug dieser Rückgang mehr als die Hälfte. Daher steht auch zur Debatte, wo Homeoffice möglich ist, diese Art zu arbeiten zwingend zu verordnen. Das hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) auch im Frühling getan – die Regelung überlebte dank Protesten der Wirtschaftskammer aber nur wenige Tage. Weiter auf sich warten lässt aber ein umfangreiches Gesetzespaket, das die arbeitsrechtlichen und steuerlichen Bedingungen im Homeoffice klären soll. Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hat es für März in Aussicht gestellt.
- Eine Erweiterung der Ausgangsbeschränkungen wird heute ebenfalls verkündet. Derzeit gelten sie grundsätzlich von 20 bis 6 Uhr, ausgenommen sind Wege zur Arbeit, zum Einkauf, zur Erholung und zur Hilfeleistung.Das wird auf den ganzen Tag ausgeweitet , um private Besuche weitgehend zu unterbinden– ebenso die Besuchsregel, wonach Menschen aus maximal zwei Haushalten zusammenkommen durften. Man wird sich nur noch mit einer Person aus einem anderen Haushalt treffen dürfen. Anders als die meisten anderen Regelungen kann Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die Ausgangsbeschränkungen nicht alleine verordnen – er braucht dazu die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats. Das ist zwar Formsache, weil auch dort Türkis-Grün die Mehrheit hat, heißt aber, dass er alsbald zusammentreten muss; Anschober könnte nur mit „Gefahr im Verzug“ argumentieren – dann könnte der Ausschuss bis zu vier Tage im Nachhinein damit zuwarten, die Regelungen abzusegnen.
Streng genommen kann diese Entscheidungen der Gesundheitsminister alleine entscheiden (für die Ausgangsbeschränkungen braucht er das Einverständnis des Hauptausschusses im Nationalrat, wo türkis-grün die Mehrheit hat) - bisher waren aber alle Maßnahmen Anschobers stets mit Bundeskanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) sowie mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) abgestimmt.