Dass sich ÖVP und FPÖ seit dem Zerbrechen der gemeinsamen Koalition wenig Nettes zu sagen haben, ist kein Geheimnis. Doch aus den gelegentlichen Spitzen in Richtung des jeweils anderen ist in den vergangenen Tagen ein waschechter Rosenkrieg geworden.
Kurze Zeit nach dem Terror-Anschlag in Wien begann die Suche nach politischen Schuldigen für den Anschlag. Innenminister Karl Nehammer schoss sich wenige Stunden nach der Tat mit Unterstützung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) auf den aktuellen grünen Koalitionspartner ein. Die Justiz, für die Ministerin Alma Zadic zuständig ist, habe den Täter zu früh aus der Haft entlassen, die Tat hätte verhindert werden können.
"Haufen Mist hinterlassen"
Nachdem Zadic den beiden jedoch die Rechtslage erklärt hatte, wonach der Mann auch ohne vorzeitiger Entlassung zum Tatzeitpunkt wieder auf freiem Fuß gewesen wäre, nahm Nehammer seinen Amtsvorgänger Herbert Kickl (FPÖ) ins Visier. Dieser sei der Grund, warum just jenes Amt, dem der Attentäter hätte auffallen müssen, nicht ordentlich arbeite – das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). „Er hat das BVT zerstört“, legte ÖVP-Klubobmann August Wöginger gestern nach: „Kickl hat einen Haufen Mist hinterlassen, nicht nur Pferdemist.“
Vorwürfe, dass die ÖVP, die in den 17 Jahren vor Kickls Amtszeit das Ministerium innehatte, mit ihren Schuldzuweisungen von der eigenen Verantwortung ablenken will, lässt Wöginger nicht gelten. Zudem habe Kickl mit seinem Ausplaudern interner Razzia-Namen diese gefährdet und „die Bevölkerung verunsichert“.
"ÖVP blamiert sich und Österreich"
Die FPÖ zeigt sich angesichts der türkisen Anschuldigungen empört, die ÖVP wolle mit diesem Vorgehen lediglich vom Versagen des eigenen Ministers ablenken. „Mit diesem Verhalten blamiert sich die ÖVP nicht nur selbst, sie gibt Österreich auch international der Lächerlichkeit preis“, erklärte FPÖ-Vizeparteiobmann Manfred Haimbuchner.
Kickl selbst forderte erneut den Rücktritt seines Nachfolgers Nehammer. Große Erwartungen an die von ihm versprochene Untersuchungskommission habe Kickl zudem keine, denn Nehammer könne sich hier auf seine schwarzen Netzwerke verlassen. Der von der FPÖ nominierte Volksanwalt Walter Rosenkranz hat deshalb ein eigenes Prüfungsverfahren zu den Pannen im BVT eingeleitet.
Intern wird bei den Freiheitlichen auch darüber geklagt, dass es angesichts der Ermittlungspannen zu Massendemonstrationen gekommen wäre, wäre Kickl noch als Innenminister im Amt. Bei Nehammer fordere man hingegen keine Konsequenzen.
Grüne verhalten sich ruhig - noch
Während sich ÖVP und FPÖ öffentlich bekriegen, verhält sich der neue Partner in der Regierung, die Grünen, großteils ruhig. Zwei Tage nach dem Attentat wagte sich lediglich der grüne Gemeinderat Martin Margulies aus der Deckung, der den Rücktritt von Nehammer forderte. „Er hat seine Abteilungen nicht im Griff“, ließ Margulies via Twitter wissen.
Die kritischen Stimmen bei den Grünen könnten sich in den kommenden Tagen aber mehren, vor allem dann, wenn weitere Pannen in den Ermittlungen bekannt werden sollten. Denn einige Grüne sind noch immer über die anfänglichen Angriffe auf Zadic verärgert und hätten sich von ihrer Ministerin eine schärfere Zurechtweisung gewünscht.