Der Attentäter war amtsbekannt, er wurde verurteilt, vorzeitig entlassen und nicht mehr beobachtet. Wie konnte das passieren?
Karl Nehammer: Die Polizei geht im Auftrag der Staatsanwaltschaft gegen Straftäter vor, das Gericht entscheidet über Urteil und Strafe. Im konkreten Fall wird aber ein Bruch sichtbar. Zwar wurde er verurteilt, aber das Deradikalisierungsprogramm konnte er täuschen, um eine vorzeitige Entlassung zu erreichen. Hier gibt es Optimierungspotenzial.
Wo muss hier genau angesetzt werden? Neue Programme zur Deradikalisierung? Schärfere Auflagen für IS-Sympathisanten?
Karl Nehammer: Es gibt in Österreich derzeit keine Präventivhaft. Justizministerin Zadic hat aber angeregt, dass das Gefährderpotenzial von Gewalttätern vor einer möglichen Entlassung auch vom Verfassungsschutz eingeschätzt wird. Das wäre ein richtiger Schritt.
Wie lange wird die erhöhte Sicherheitslage noch bestehen bleiben?
Karl Nehammer: Die Auswertung des Bildmaterials, das uns von den Bürgern sensationell zur Verfügung gestellt worden ist, dauert an. Die Hinweise verdichten sich, dass es sich um einen Einzeltäter gehandelt hat. Die erhöhte Sicherheitsstufe bleibt in den nächsten Tagen aufrecht, auch um Nachahmungstaten zu verhindern.
Einerseits straft die Polizei „Gaffer“, andererseits bedient man sich nun an ebensolchem Videomaterial. Ist das nicht ein Widerspruch?
Karl Nehammer: Der Anschlag in München 2016 hat gezeigt, dass die Polizei sehr erfolgreich mit solchem Material gearbeitet hat. Einerseits war es wichtig für die Ermittlungen und andererseits wurde es so nicht permanent geteilt und gepostet. Ein positiver Effekt für beide Seiten.
Welche Folgen wird der Anschlag auf das Land haben? Werden wir uns an schwerbewaffnete Polizisten in Wiens Straßen gewöhnen müssen?
Karl Nehammer: Jetzt ist eine hohe Polizeipräsenz das Gebot der Stunde, um den Menschen Sicherheit zu geben. Aber danach muss wieder zur Normalität zurückgekehrt werden. Denn für diese Attentäter ist es die größte Niederlage, wenn sie Zerstörung dieser Normalität nicht erreichen konnten.