Land des Plauderns
Unternehmerin Honorata Fijalka stammt aus Polen.
"Im Polnischen gibt es den Ausdruck „austriackie gadanie“, das „österreichische Gerede“: Die Österreicher reden lieber, als sie tun. Als Unternehmerin musste ich lernen, dass in Österreich das, was man umsetzt, ohne viel darüber zu reden, nicht wahrgenommen wird. Das viele Reden hat aber auch Gutes: Zu Beginn wird man zwar immer mit Klischees konfrontiert. Niemand traut einer Polin zu, dass sie das Zugpferd einer Firma ist. Aber wenn man sich Zeit nimmt, lassen sich die Österreicher gerne erklären, wer man ist.
Mit den Kaffeehäusern hat Wien dafür die idealen Orte geschaffen. Obwohl ich seit mehr als 30 Jahren in Österreich lebe, bin ich polnische Staatsbürgerin. Zu Polen habe ich eine enge Beziehung. Trotzdem bin ich aus Paris, Moskau und Frankfurt immer nach Wien zurückgekehrt. Das zentraleuropäische Wesen, der Zugang zu Schönem und die Natur, die geschützt wird, machen Österreich für mich zur Heimat."
Land des Kulturschocks
Susann Hartleib ist in Deutschland geboren.
Mich hat vor zehn Jahren die Liebe nach Österreich verschlagen, hier habe ich dann mein Studium fortgesetzt. Die Liebe zum Mann hat nicht gehalten, jene zum Land schon. Dabei war die Ankunft nicht leicht. Ich hatte zuvor in Russland studiert und mich auf Österreich gefreut. Gemeinsame Sprache und Tradition wird uns schnell einen, dachte ich. Was folgte, war ein kleiner Kulturschock. Die „Begrüßung“ der „Piefke“ war nicht sehr freundlich, darunter habe ich im ersten Jahr ziemlich gelitten.
Aber Freunde und neuer Partner haben mir das Land und seine Vielschichtigkeit erklärt. Wie den Stolz und die Identität der Bundesländer, die der gemeinsame Feind eint: die Wiener und die Deutschen. Ich schätze den Humor und die Menschlichkeit hier und ich bin stolz, die österreichische Lockerheit verinnerlicht zu haben. Ich könnte in keinem anderen Land mehr leben. Denn wenn ich meiner norddeutschen Verwandtschaft „das geht sich schon aus“ sage, verstehen die die Welt nicht mehr.
Land der Ordnung
Aziz Gülüm kam in den 1980ern aus der Türkei.
Als ich aus der Türkei nach Wien kam, habe ich mich sehr bewusst dafür entschieden, bald die Staatsbürgerschaft anzunehmen und Österreich zu einer richtigen Heimat zu machen. Das ist ein Prozess mit Höhen und Tiefen. Ich mag die Spielregeln, die in Österreich gelten.
Rechtsstaatlichkeit, Gleichstellung von Mann und Frau und die Einhaltung der Menschenrechte sind als Grundwerte unbestritten. Sogar jedes Haus hat seine Hausordnung. Um dieses Zusammenleben mitzugestalten, habe ich bis zur Pension im Integrationsbereich gearbeitet und engagiere mich auch politisch. Auch wenn in den letzten Jahren oft polemische Politik zumindest vorübergehend erfolgreich war, schaut es in der Praxis oft anders aus: Viele sind nur gegen die Ausländer, die sie nicht kennen. Ich nehme die Österreicher als sehr solidarisch und hilfsbereit wahr.
Land der Balance
Candelaria Argarate wurde in Argentinien geboren.
Kurz bevor ich mit meiner Familie vor acht Jahren hierherkam, sahen wir den Film „Sound of Music“. Ich wusste nicht einmal, wo Österreich genau liegt. Danach dachte ich: Dort wohnen sie in Alpendörfern und laufen in ihren Trachten herum. Ich liebe die Natur und die Berge als wunderschönen Ausgleich zum Stadtleben in Graz. Urbane Österreicher wirken manchmal so, als ob sie wenig Zeit und Interesse füreinander hätten. Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass Menschen aufgrund meines Aussehens denken, dass ich kein Deutsch spreche, und dann oft unfreundlich agieren. Mitunter kann das frustrierend und traurig sein.
Allerdings sind gerade die jungen Österreicher sehr neugierig, aufgeschlossen und stehen Alltagsrassismus kritisch gegenüber. Das stimmt mich zuversichtlich. Ich möchte weiterhin hier leben. Meine Familie ist hier, die Lebensqualität ist ausgezeichnet. Öffentlicher Verkehr, Bildungsmöglichkeiten, der Sozialstaat – besser geht es kaum.
Land der freien Meinung
Zelimchan Kasumov kam 2002 aus Tschetschenien.
Dass es mich nach Österreich verschlagen hat, war eigentlich eher Zufall. Bereut hab ich diese Entscheidung jedoch keine Sekunde. Denn hier gibt es etwas, das für mich besonders wichtig ist: echte Meinungsfreiheit. Ich kann in diesem Land meine Meinung äußern, ohne Angst haben zu müssen, dass jemand kommt und mich mitnimmt. Wer sich an die Regeln hält, der hat nichts zu befürchten, und das finde ich toll.
Von den Einheimischen habe ich unglaublich viel Unterstützung und Freundlichkeit erfahren. Ich mag, dass die Menschen an Wochenenden und Feiertagen das Leben genießen und gesellig sind. Und die Weihnachtsmärkte sind seit jeher etwas, dessen Schönheit mich beeindruckt. Das Einzige, was für mich etwas gewöhnungsbedürftig war: Auch in Situationen kleiner Meinungsverschiedenheiten, die man ganz einfach zwischen Erwachsenen lösen könnte, wird oft sehr schnell mit der Polizei gedroht.
Land des Suderns
Gazal Köpf kam aus dem Iran nach Österreich.
Wenn man in Österreich fragt, wie es einem geht, dann hört man als Antwort nicht „Gut“, sondern: „Na ja, wie soll’s einem schon gehen? Passt schon.“ Man stapelt tief, erwartet sich nicht viel vom Leben. Wenn es dann doch besser ist, freut man sich halt. Sudern gehört in Österreich zum guten Ton, und das, obwohl das Land über einen stabilen Wohlstand, ein sehr gutes soziales Netz, eine vielfältige Natur und sehr viel Kunst und Kultur verfügt.
Und es herrscht hier kein Krieg. Aus diesem Grund sind meine Eltern mit mir als Baby im Arm aus dem Iran hierhergeflüchtet. Das Sudern sollten wir aber nicht nur negativ sehen. Ein kritischer Geist führt zu Veränderungen und die können zu Verbesserungen führen. Vielleicht irgendwann auch dazu, dass man sich als Mensch mit Migrationshintergrund auch als richtige Österreicherin fühlen kann.