Die dem Nachrichtenmagazin "profil" vorliegenden Chats zwischen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und weiteren ehemaligen und aktuellen FPÖ-Akteuren lassen den Schluss zu, dass es auch Absprachen mit der ÖVP betreffend von Posten-Besetzungen im ORF gegeben hat. Weiters wurden neue Details rund um die Bestellung des Immobilienunternehmers Siegfried Stieglitz zum Aufsichtsratsvorsitzenden der ASFINAG bekannt.
profil liegt eigenen Angaben zufolge ein Bericht der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zum Faktenkomplex „Dr. Siegfried Stieglitz“ vor, einem Seitenstrang des umfangreichen „Casinos“-Verfahrens.
Es handle sich um eine Auswertung der Chats von Heinz-Christian Strache, die schier unglaubliche Details zur Personalpolitik der türkis-blauen Bundesregierung liefere. Die Chats decken den Zeitraum Juni 2017 bis Mai 2019 (vor Ibiza) ab.
Stieglitz war am 2. März 2018 vom damaligen FPÖ-Infrastrukturminister Norbert Hofer in den neu konstituierten
ASFINAG-Aufsichtsrat entsendet worden. Bereits im August 2019 wurde dann bekannt, dass Stieglitz in den Jahren 2017/18 an den FPÖ-nahen Verein "Austria in Motion" gespendet haben soll. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt mittlerweile gegen den nunmehrigen Dritten Nationalratspräsidenten und FPÖ-Chef Hofer wegen des Verdachts der Geschenkannahme. Hofer betonte stets, nichts von den Spenden gewusst zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Vilimsky und der "Gang Bang Bus"
In einem dem "profil" vorliegenden Bericht der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur Causa Stieglitz zeigen Chat-Verläufe, dass Stieglitz die FPÖ auch mit der Bereitstellung eines Wahlkampf-Busses für die Nationalratswahl 2017 unterstützt haben dürfte - und zwar kostenlos, weswegendie WKStA laut "profil" entsprechend ermittelt.
"profil" zitiert dazu eine (mit Tippfehler gesäumte) am 19. Juni 2017 von Strache gepostete Nachricht in eine gemeinsame Chatgruppe mit Ex-Klubobmann Johann Gudenus und den damaligen FPÖ-Generalsekretären Herbert Kickl und Harald Vilimsky: "Das kann unser NR-Wahlbuss werden. Sigi Sigi Stieglitz stellt ihn kostenlos zur Verfügung ... Aussenbeklebung natürlich durch uns möglich!" (sic!). Dazu habe er Fotos des Gefährts verschickt.
Pikant laut "profil" der weitere Chatverlauf: Vilimsky habe gewitzelt: "Geiles Teil!!!" - und üble Scherze über eine Weiterverwendung nach der Wahl getrieben: "Nach dem 15. Oktober machen wir dann einen Gang Bang Bus draus". Strache habe geantwortet: "Du böser!" Am 9. Oktober 2017 habe Strache dann an Stieglitz getextet: "Herzlichen Dank, lieber Sigi... mit deinem Bus haben wir auch den Längsten und sind den anderen um Längen voraus :-)". Dies in Hinblick darauf, dass der FPÖ-Wahlkampfbus länger war als jener von Sebastian Kurz von der ÖVP.
Am 23. Jänner 2018 - die FPÖ befand sich bereits in der türkis-blauen Koalition - habe Stieglitz dann Strache an offenbar gemachte Zusagen erinnert: "Zuletzt hat mir Norbert in einer persönlichen Besprechung zugesichert, mich in einen Aufsichtsrat zu entsenden. So wie von uns - Norbert, Dir und mir - im Sommer besprochen und geplant. Weißt Du schon näheres? Bitte sprich mit ihm mal." Nach weiterer Nachfrage habe Strache geantwortet: "Ja, werde mit ihm reden. Kontaktiere du ihn auch!" Am 2. März 2018 wurde Stieglitz zum ASFINAG-Aufsichtsrat bestellt.
Unterdessen gab es im Netz Spott und Hohn für die Chatverläufe der Beteiligten. Durch die Aufdeckung der WKStA und wurde der Hashtag #gangbangbus zum Trend auf Twitter.
Kein Posten im ÖBB-Aufsichtsrat
Doch das dürfte Stieglitz und Strache nicht genug gewesen sein. Ende September 2018 soll Strache via Chat den damaligen Generalsekretär im Verkehrsministerium, Andreas Reichhardt gefragt haben: "Wird Sigi Stieglitz eh ÖBB-Aufsichtsrat?" Am 23. Oktober habe Stieglitz an Strache ein Foto von sich und dem damaligen Verkehrsminister Hofer geschickt, tags darauf die Nachricht: "Danke Dir für Deine Unterstützung!!!! Norbert hat mich gestern gefragt, ob ich ihm als Aufsichtsrat in die ÖBB Holding reingehe - sobald ein Sitz frei wird - was im März/April 2019 soweit sein wird!"
Doch Ende Jänner 2019 erfuhr der Unternehmer offenbar vom damaligen ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzenden Gilbert Trattner, dass dieser andere Pläne hatte - "zu meiner großen Überraschung", wie er Strache gegenüber via Handy-Kurznachricht geklagt haben soll. Einen alternativ angebotenen Aufsichtsrats-Posten bei der Postbus AG lehnte er laut "profil" ab - und drängte Strache darauf, "wie mit mir vereinbart auf handelnden Personen einzuwirken".
Später soll Strache laut den von "profil" zitierten Protokollen dann bei Hofer nachgefragt haben: "Hast du mit Sigi gesprochen, wegen ÖBB-Holding. (...) Es wurde im fix zugesagt (...)" (sic!).
Absprachen mit der ÖVP?
Aus weiteren Chats soll hervorgehen, dass sich Strache zu dieser Zeit mit Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) über weitere Postenbesetzungen ausgetauscht habe - und sich auch darüber beschwerte, dass die ÖVP zu zögerlich bei Aufsichtsrats-Besetzungen gewesen sei. In den folgenden Monaten habe Strache Stieglitz andere Posten angeboten - doch dann folgte die Veröffentlichung des Ibiza-Videos und das Aus der Koalition.
Neben der Causa Stieglitz sollen die vorliegenden Chats laut "profil" auch auf Absprachen zwischen FPÖ und ÖVP zu Postenbesetzungen bei ORF Online hindeuten. In einer im Mai 2019 von ORF-Stiftungsratschef Norbert Steger weitergeleiteten SMS von Reinhard Teufel, dem damaligen Kabinettschef von Ex-Innenminister Herbert Kickl, soll von einer "Übereinkunft" mit der ÖVP die Rede sein. Darin soll u.a. der Posten des Online-Chefredakteurs fixiert worden sein, dies sei auch mit dem "GD" bereits "vereinbart".