Vorbei ist die Corona-Wirtschaftskrise erst dann, wenn es eine Impfung und eine adäquate Behandlung gegen Covid-19 gibt. Das erklärten die Leiter von Wifo und IHS. "Wenn wir wieder positive Wachstumsraten haben und die Arbeitslosigkeit wieder sinkt", ergänzte Wifo-Chef Christoph Badelt. "Wenn wieder ein stabiles Wachstum einsetzt, wenn die Unsicherheit sinkt und die Stimmung steigt - das deutet auf den Zeitraum 2021/22 hin", meinte IHS-Chef Martin Kocher.

An die Bevölkerung appellierten beide Experten bei der Konjunkturprognose-Präsentation eindringlich, zu einem Drosseln der Infektionszahlen beizutragen. Das Infektionsgeschehen und die wirtschaftliche Aktivität seien sehr stark miteinander gekoppelt, betonte der Leiter des Instituts für Höhere Studien. "In Wahrheit liegen wir mehr denn je in der Hand der Pandemie und in der Hand der gesundheitspolitischen Konsequenzen daraus - die Wirtschaftspolitik kommt erst danach", meinte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts. Seien die Infektionszahlen so hoch, dass es Reisewarnungen für touristische Gebiete gebe, sei es egal, ob ein Hotel in Tirol nicht aufsperren dürfe oder keine Gäste kommen.

Wirtschaftspolitik habe richtig gehandelt

Die Wirtschaftspolitik habe in der Krise "richtig gehandelt", meinte der Wifo-Chef, egal ob man das "gold- oder silberrichtig" nenne. Von zusätzlichen Maßnahmen, "über die wir uns in der politischen Diskussion derzeit überdribbeln", hält er nichts. Man solle die bisherigen Maßnahmen "einmal auf den Boden bringen", denn "bei der Umsetzung gab und gibt es Verzögerungen". Er verwies etwa auf die noch nicht mit der EU ausgehandelte zweite Fixkostenzuschuss-Phase.

WIFO/IHS-Konjunkturprognose
WIFO/IHS-Konjunkturprognose © (c) APA

Kocher zeigte sich ebenfalls skeptisch: "Auch mit viel neuen Maßnahmen kann ich vielleicht nicht mehr wirtschaftliche Aktivität setzen", unter Umständen gehe dann noch mehr in die Sparquote. "Das einzige, was hilft, ist es, das Infektionsgeschehen besser in den Griff zu kriegen, gerade im privaten Bereich."

"Setzt die bisher beschlossenen Konjunkturmaßnahmen so rasch wie möglich wirklich um - kommt ins Tun", forderte Badelt von der Regierung. Allein das, was schon in der Pipeline sei, sollte wirklich ins Gehen gebracht werden und könnte einen großen Faktor bilden, "damit die hellgrüne Konjunktur-Ampel nicht auf Gelb zurückspringt".

Auch Kocher empfahl, die beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Die Schritte sollten "zeitgerecht, befristet und zielgenau" erfolgen und im ersten Quartal 2021 evaluiert werden. Gebe es dann keine wirklich positiven Signale über eine Impfung und eine gute Behandlung, was die Stimmung heben würde, müsse man sich darauf einstellen, auch länger mit der Pandemie zu leben. Ein erneuter Lockdown in diesem Herbst könnte laut Wifo dazu führen, dass die erwarteten BIP-Raten von heuer minus 6,8 Prozent und 2021 plus 4,4 Prozent um 2,5 bis 4,0 Prozentpunkte tiefer ausfallen. Dies könnte bedeuten, dass das Wachstum 2021 so gedrückt wird, dass das kommende Jahr nicht besser abschneidet als 2020.

Arbeitsstiftung

Nachdem die Arbeitslosenraten nach nationaler Definition heuer auf fast zehn Prozent klettern dürften, muss dem Wifo-Chef zufolge die Arbeitsmarktpolitik ebenfalls intensiviert werden: "Es gibt eine Korrelation von personeller Ausstattung im Arbeitsmarktservice und der Qualität der Beratung." Es gehe um Qualifizierungsmaßnahmen - Stichwort Arbeitsstiftung - und die Vermeidung kontraproduktiver Anreize. So könnte der Fixkostenzuschuss bei manchen dazu führen, eher eine Förderung in Anspruch zu nehmen als den Umsatz zu erhöhen. Ähnliches gelte für die Kurzarbeit. Die angekündigte Arbeitsstiftung begrüße man, um eine Verfestigung der Arbeitslosigkeit zu vermeiden, betonte Kocher. Badelt wünscht sich für die Stiftung - für ihn eine Art "Sonderbudget des AMS" - Maßnahmen zur Qualifizierung von Kindern über Lehrlinge bis hin zu Spezialprogrammen für ältere Arbeitnehmer: "Die Klammer ist immer die Qualifizierung."

Normalisierung der politischen Maßnahmen

Auch dürfe nicht vergessen werden, dass es neben der Coronakrise noch andere wichtige Themen gebe, etwa Pflege sowie die Umwelt- und Klimapolitik. "Es wird wieder notwendig sein, Prioritäten zu setzen. Man muss auch wieder in die Konsolidierung kommen." Auch die Ökologisierung des Abgabenthemas falle für ihn unter die Strukturmaßnahmen. "In den nächsten Monaten werden wir zu den normalen Maßnahmen der Politik kommen", hofft der Wifo-Chef. Auch Kocher hält es für "sehr wichtig", die Ökologisierung im Steuersystem "vorzubereiten", da es ohnedies bis zur Umsetzung ein, zwei Jahre dauere und sich dann alle rechtzeitig darauf einstellen könnten.

Das Budgetdefizit dürfte mit 9 1/2 (Wifo) bis 11 1/2 (IHS) Prozent des BIP bisher ungeahnte Höhen erreichen. Die Unterschiede ergeben sich laut Kocher dadurch, dass eine Reihe beschlossener Maßnahmen verschieden eingerechnet sind: "Setze ich den Rahmen an oder was ich vermute, dass ausgeschöpft wird." So hat etwa beim Fixkostenzuschuss das Wifo für heuer 5 Mrd. Euro berücksichtigt, das IHS knapp 9 Mrd. Euro. Wifo-Chef Badelt hält es freilich für "nicht wirklich relevant", ob zum Beispiel 2 Mrd. Euro 2021 oder 2020 gebucht werden. Bei der Verbuchung von Steuerstundungen habe sogar die Statistik Austria kürzlich eine Revision vorgenommen, meinte Wifo-Budgetexperte Hans Pitlik dazu. Nach der Bewältigung der Krise seien jedenfalls "starke Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung" nötig, deponierte Kocher.