Die Angeklagten im Buwog-Prozess rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser kennen das Innere des Großen Schwurgerichtssaals im Wiener Straflandesgericht in- und auswendig. Kein Wunder, haben sie in diesem Raum doch bereits 165 Verhandlungstage auf der Anklagebank hinter sich gebracht. Der nun bald schon drei Jahre dauernde Buwog-Prozess neigt sich aber langsam seinem Ende zu.
Heute, an Tag 166, stehen die Schlussplädoyers am Programm, bei denen es wohl noch einmal verbal hoch hergehen dürfte. Zudem sind für Mittwoch und Donnerstag weitere Verhandlungstage angesetzt.
Der Sitzungstag hat gleich mit einer Pause begonnen, der Senat hat über diverse Anträge beraten. Nach der Verlesung diverser Stellungnahmen war der angeklagte Anwalt und Wirtschaftsprüfer Gerald Toifl am Wort mit einer Stellungnahme. Richterin Marion Hohenecker hat zudem festgehalten, dass es im Saal weder Überwachung von Telekommunikation, noch einen "Lauschangriff" gegeben habe. Das haben die Anwälte von Grasser behauptet. Das Beweisverfahren wurde damit abgeschlossen.
Nebelgranaten
Die Staatsanwaltschaft eröffnete den Schlussplädoyer-Reigen. Staatsanwalt Alexander Marchart begann mit einem Rückblick. In den drei Jahren Prozessdauer habe man viele Nebengranaten, Störfeuer und Taktik beobachten können. Die Verteidiger hätten alles daran gesetzt, mit Ablenkungsmanövern den Fokus auf das Wesentliche abzulenken. Ziel sei es gewesen, "dass Sie, liebe Schöffen, diesen Saal mit Zweifel zu verlassen". Aber für die Staatsanwaltschaft bestehe an der Schuld Grassers kein Zweifel.
Die Verteidigung bringe hier allerhand "Gschichtln" vor, doch Grasser und seine "Freunde" hätten hier Profit gemacht. Millionen an "Bestechungsgelder" fließen hier. Dazu gebe es "Zahlen, Daten, Fakten, meine Damen und Herren", sagte Staatsanwalt Gerald Denk. Beim Verkauf der Bundeswohnungen sei der Tipp zum vorliegenden Angebot von 960 Millionen von Peter Hochegger gekommen. Die dazu geflossene Provision habe man sich aufgeteilt. "Dass Grasser, der das als Finanzminister erst möglich gemacht hat, hier mitgeschnitten hat, ist völlig logisch. "
"Grasser hat kassiert"
Die Staatsanwälte listeten das "System Grasser" auf, die Schöffen müssten "nichts von Politik oder Aktien verstehen", um zu sehen, was hier gespielt wurde. Auch das "Schwiegermutter-Märchen" sei aufgedeckt worden. Zur Erinnerung, dabei geht es um dank Investments vermehrte 500.000 Euro, die auf dem Mandarin-Konto gelandet sind und die für die Staatsanwaltschaft Beweis sind, dass hier Buwog-Provisionsgeld dabei ist. Grasser bestreitet das, es habe sich beim Geld um jenes seiner Schwiegermutter gehandelt. Dennoch: "Alles trägt Grassers Handschrift."
Grasser verfolgte die Ausführungen mit steinerner Miene. Nur, als Denk Grasser vorwirft, bei der Eröffnung einer Briefkastenfirma "wieder einmal seine Familie, diesmal seine Frau" vorgeschickt zu haben, reagiert er mit energischem Kopfschütteln. "Zusammengefasst: Karl-Heinz Grasser hat kassiert", sagte Marchart. Auch "seine Freunde" hätten Geld eingestreift. Daran könne kein Zweifel bestehen. Marchart fasst die Angeklagten als "Vierer-Bande" zusammen - inkl. Ex-Immobilienmakler Erst Plech. Die Argumentation der Verteidiger falle "in sich zusammen".
Forderung nach Schuldsprüchen
Die vier haben laut Marchart alles daran gesetzt, zu kassieren - "zum Schaden unser aller, zum Schaden der Steuerzahler". Am Tatplan bestehe "kein Zweifel". Man habe alles daran gesetzt, diesen mit Lügen zu vernebeln und verschleiern. Man habe hier ein "Verbrechen unglaublicher Tragweite aufgedeckt". "Niemand steht über dem Gesetz", sagte Marchart am Ende seiner Ausführungen. Alle Angeklagten seien aus Sicht der Staatsanwaltschaft schuldig zu sprechen und zu bestrafen.
Republik will Schadensersatz
Nach einer kleinen Pause waren die Privatbeteiligtenvertreter mit ihren Schlussplädoyers an der Reihe. Den Beginn machte quasi die Vertreterin der Republik - der Finanzprokuratur. Der Republik sei durch Grasser ein finanzieller Schaden von rund 9,8 Millionen Euro entstanden, den man nun zurückfordert - inkl. vier Prozent Zinsen.
Nach wenigen Minuten war das erledigt, es folgte der Vertreter der CA Immo, Johannes Lehner. Der wollte wissen, "wo die Leistung war" hinter der Provision in Höhe von 9,6 Millionen Euro. Hätte es sich hier um ein "normales Geschäft" gehandelt, wie von den Angeklagten behauptet, dann gäbe es dazu einen normalen Vertrag. Doch dieser existiere nicht. Es habe nur Scheinnverträge gegeben, um das Vorgehen zu verschleiern. Der Vertreter geht minutiös Verträge durch, die Schöffen hören angestrengt zu. Meischberger schüttelte mehrfach den Kopf. Es sei den Hauptangeklagten jedenfalls nur um "Verschleierung, Verschleierung, Verschleierung" gegangen.
Auch das "Schwiegermuttergeld" kam zur Sprache. Lehner: "Stellen Sie sich dieses Gespräch vor: Fragt jemand, der viel Geld hat, wirklich den Finanzminister, ob der es für einen anlegen kann?" Noch dazu, wo es sich um den eigenen Schwiegersohn handelt? Lehner schließt mit einem Appell an die Schöffen: "Lassen Sie sich nicht täuschen." Der Privatbeteiligte der Immofinanz forderte im Anschluss die Provision zurück.
Richerin Marion Hohenecker schloss daraufhin die Sitzung, morgen geht es weiter mit den Schlussplädoyers der Verteidiger.
Tatplan ausgeheckt
Zur Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft wirft Grasser, dessen Trauzeuge Walter Meischberger, Ex-PR-Manager Peter Hochegger, Ex-Immobilienmakler Ernst Plech und anderen unter anderem Korruption vor. Die vier ersten Angeklagten hätten sich demnach in der Amtszeit Grassers über Provisionszahlungen bereichert. Man habe dazu einen eigenen „Tatplan“ ausgeheckt, heißt es in der Anklageschrift. Grasser, Meischberger und Plech bestreiten das, einen solchen habe es nie gegeben. Hochegger hat Grasser und Meischberger jedoch bereits zu Prozessbeginn mit einem überraschenden Teilgeständnis schwer belastet.
Gerichtssaal für Urteil reserviert
Sind die Schlussplädoyers erst einmal erledigt, wird das Urteil aber nicht, wie anfangs vermutet, gleich im Anschluss verkündet werden. Der Schöffensenat, der aus zwei Berufsrichtern und zwei Laienrichtern besteht und dem Richterin Marion Hohenecker vorsitzt, wird sich zuvor zur Beratung zurückziehen. Wie lang diese dauern wird, ist unklar. Für eine etwaige Urteilsverkündung hat die Richterin den Gerichtssaal bereits alle Freitage im November und den ersten im Dezember reservieren lassen.
Ein Grund für die lange Verfahrensdauer des Prozesses, der im Dezember 2017 begonnen hat, sind die vier großen Bereiche, die hier zusammengefasst wurden. Es geht um Korruptionsverdacht beim Verkauf der Bundeswohnungen und der Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower, aber auch um „schwarze Kassen“, um Politiker „anzufüttern“ und um eine Betrugsanklage gegen Meischberger im Zusammenhang mit dem Verkauf seiner Villa. Zudem fiel Richterin Hohenecker durch Genauigkeit und detaillierte Befragungen auf, was ihr sogar Lob seitens der Angeklagten eingebracht hat.