Seit Tagen wird auch die Kleine Zeitung immer wieder von besorgten Bürgern kontaktiert, die von einer vertrauenswürdigen Quelle erfahren haben wollen, dass die Koalition an einem zweiten Lockdown herumbastle. Genannt werden der 23. Oktober als mögliches Datum oder die Tage um den Nationalfeiertag und Allerheiligen herum. Angeblich seien die großen Lebensmittelketten instruiert worden, ihre Lager rechtzeitig aufzufüllen.
Pläne in der Schublade
Befeuert wurden die Gerüchte ausgerechnet durch Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der am Freitag bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz auf eine Frage der Kleinen Zeitung, ob die Regierung tatsächlich eine Verlängerung der Herbstferien an Schulen plane, kryptisch antwortete: „Ich kann nicht ausschließen, dass es in den nächsten zwei und drei Wochen zu Nachschärfungen kommt.“ Eine Verlängerung der Herbstferien wurde ausgeschlossen, er habe jedoch „verschiedene Pläne in der Schublade.“ Was diese seien, wolle er nicht sagen.
Sorge um FPÖ-Absturz bei Wien-Wahl
Den 23. Oktober als Tag des Lockdowns hatte übrigens FPÖ-Parteichef Norbert Hofer per Aussendung in die Welt gesetzt. „Gut informierte Kreise im Umfeld der Kabinette nennen einen Lockdown rechtzeitig vor dem Allerheiligen-Wochenende - der 23. Oktober werde da immer genannt.“Auch eine Verschiebung der Wien-Wahl sei „nicht vom Tisch“, wusste Hofer vor elf Tagen zu berichten. Nichts dergleichen ist passiert. Eher die Sorge um den Absturz der FPÖ am Wahlsonntag als die Sorge um die Ausbreitung des Virus dürfte Hofer zu der Aussendung bewogen haben.
Zusammenbruch der medizinischen Versorgung
Dass die steigenden Infektionszahlen der Regierung zunehmend Kopfzerbrechen bereiten, steht außer Frage - vor allem der Umstand, dass die Kurve bereits jetzt und nicht erst im November oder Dezember, wenn es draußen wirklich kalt ist und alles sich in die Innenräume verlagert, hinaufgeht. Dass die Koalition präventiv einen zweiten Lockdown erwägt, ist allerdings rein rechtlich gar nicht möglich. Tatsächlich sieht die nach Aufhebung der alten Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof erforderliche Neuregelung des COVID-Gesetzes ausdrücklich vor, dass Ausgangsbeschränkungen nur bei einem „drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder einer ähnlich gelagerten Notsituation“ verordnet werden können. Diese dürfen maximal zehn Tage in Kraft sein. Diesem Schritt muss außerdem der Hauptausschuss des Parlaments, in dem Türkis und Grün die Mehrheit haben, zustimmen. Von Kapazitätsengpässen in Spitälern ist Österreich meilenweit entfernt.
Sag niemals nie
Ein Lockdown zum jetzigen Zeitpunkt wäre schlichtweg gesetzeswidrig. Im Übrigen weiß man in Regierungskreisen, dass ein solcher Schritt fatale Folgen für die Wirtschaft, die Job-Situation, den Wintertourismus haben würde, deshalb setzt man auf regionale Maßnahmen. Sollte sich das Virus allerdings dramatisch ausbreiten, sind Ausgangsbeschränkungen - wie um den 15. März herum - als Ultima Ratio denkbar. In der Zwischenzeit schließt kein Regierungsmitglied mehr einen zweiten Lockdown aus.
Homeoffice über den Winter?
Was derzeit eher erwogen wird, sind etwas gelindere Maßnahmen wie etwa die Vorverlegung der Sperrstunde, die weitere Absenkung der Obergrenze bei Veranstaltungen oder die Regelung, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter, sofern möglich, in Homeoffice schicken. Auch können Betretungsverbote bei Verkehrsmittel oder im öffentlichen Raum erlassen werden.
Nichts dran
PS: Dass die alte These, hinter jedem Gerücht stecke ein Funken Wahrheit, in der Hochphase der Verschwörungstheorien nicht immer stimmt, zeigt ein anderes Gerücht, das vor zwei Wochen in Wien und in der Oststeiermark die Runde gemacht hatte: dass der Kanzler seine Freundin geheim auf der Teichalm geheiratet habe. Die Kollegen der Hartberger Redaktion gingen der Sache mit viel Akribie nach. Nichts dran, war das Resümee nach einem intensiven Faktencheck.