Wird in Wien ein Pflegeheim eröffnet, wird ein Radweg eingeweiht, wird ein Spaten gestochen sind die Bezirksvorsteher zur Stelle. Sie sind der Inbegriff der Lokalpolitik Wiens. Nähester politischer Ansprechpartner und Stammgast im Bezirksblatt. Um sich im Bezirk bekannter zu machen, gibt es freilich viele Möglichkeiten. Marcus Franz, Bezirksvorsteher von Favoriten, ließ sich im Sommer meterhoch auf eine Wand malen. Hinter der Fassade versteckt sich ein zeitintensiver Job zwischen begrenzten Kompetenzen und schier unbegrenzten Möglichkeiten, zwischen stundenlangen Verhandlungen und stundenlangem Händeschütteln (oder eben Ellbogenstoßen).
Sicher im Sattel
Vorne weg: Bezirksvorsteher sitzen relativ sicher im Sattel. Sie sind auf keine Koalitionen angewiesen, die stimmenstärkste Partei stellt den Bezirksvorsteher. Und sie können auch nicht per Misstrauensantrag aus dem Amt gewählt werden. Allein der Bürgermeister kann Bezirksvorsteher des Amtes entheben, und das nur, "wenn sie die Erfüllung ihrer Amtsobliegenheiten beharrlich vernachlässigen", wie es in der Stadtverfassung heißt. Der Gemeinderat kann nur die gesamte Bezirksvertretung auflösen, Bezirksvorsteher inklusive, oder einzelne Mitglieder der Bezirksvertretung des Amtes entheben. Außerdem hat es in rund der Hälfte aller Bezirke in den letzten 70 Jahren keinen Wechsel der Mehrheit gegeben.
Umso schwieriger ist es im Umkehrschluss, in dieses Amt zu kommen. Einer der es geschafft hat ist Paul Stadler. Er ist der erste Bezirksvorsteher von Simmering, der nicht der SPÖ angehört und gleichzeitig der erste und bislang einzige FPÖ-Bezirksvorsteher. Stadler bezeichnet seinen Job als "nervenaufreibend und stressig, aber interessant". Angrenzend an Simmering aber in Sachen Amtszeit weit entfernt liegt Erich Hohenberger. Er ist im dritten Bezirk seit 31 Jahren im Amt und damit mit Abstand der erfahrenste Bezirksvorsteher Wiens. "Es ist eine Funktion, die Freude und Spaß machen muss", sagt Hohenberger, "man muss auf die Menschen zugehen, und man muss ihnen zuhören können."
Kompetenzen und Kontakte
Zuständig ist der Bezirk formell etwa für die Instandhaltung von Schulen, Kindergärten und Straßen. Hohenberger sieht allein darin schon viele Gestaltungsmöglichkeiten: "Es sammeln sich viele Ideen. Man versucht zum Beispiel, den Verkehr zu bündeln, oder ordentliche Parkanlagen zu schaffen." Darüber hinaus sieht etwa Daniel Resch, seit zwei Jahren ÖVP-Bezirksvorsteher von Döbling, mögliche Erweiterungen des Kompetenzbereichs: "Der Bauausschuss im Bezirk tagt erst bei Überschreitungen der Bauordnung. Wir würden aber gern schon früher mitreden." Gerade in Döbling habe das viel mit dem Ortsbild zu tun.
Einig sind sich alle Erwähnten, dass ein guter Draht ins Rathaus essentiell ist. Ursula Lichtenegger, grüne Bezirksvorsteherin aus dem zweiten Bezirk, bezeichnet es als größte Startschwierigkeit, die Strukturen des Magistrats kennen zu lernen. Es sei aber ein Vorteil, eine Parteikollegin in der Stadtregierung sitzen zu haben. Ein Vorteil, den der Döblinger Resch nicht hat. Oder wie er es formuliert: "Bei uns dauert es manchmal Monate bis ein Stoppschild neu gemacht wird, vom Beschluss bis zum Aufstellen des Gürtelpools sind nur Wochen vergangen."
Peter Schöggl