Herr Professor, gehen wir mit den jährlichen überproportionalen Erhöhungen kleiner Pensionen auf eine einheitliche „Volkspension“ zu?
Bernd Marin: Kurzfristig nicht, längerfristig schon. Es ist eine Grundsatz-Wertentscheidung zu treffen, ob das – ohnedies abgeschwächte – Versicherungsprinzip weiterhin gilt oder wir eine Volkspension einführen. Das war nicht nur das Modell der ehemaligen Volksdemokratien im Ostblock, sondern auch der Grundsicherung zahlreicher liberalkapitalistischer Pensionsysteme in anglosächsischen Ländern.
Ist das mit Hinblick auf die Demographie vernünftig?
Die Antwort hat nichts mit Demographie, sondern alleine mit Demokratie zu tun – was will das Volk? Was macht politisch Sinn? Und ist es rechtlich korrekt? Die Antworten: die meisten wollen leider Widersprüchliches; beides könnte politisch durchaus Sinn machen; die gängige Praxis ist ungesetzlich und müsste erst legistisch repariert werden.
Ist unser System für kommende Jahrzehnte gut aufgestellt?
Nein, es ist mittel- und längerfristig leider nicht nachhaltig.
Welche Reformen braucht es?
Berufsunfähigkeitspensionen im besten Erwerbsalter müssen stark sinken. Betriebliche Altersvorsorge muss ausgebaut werden – als Mehrheitsprogramm wie die Abfertigung neu. Das Pensionsalter Frauen und Männer muss noch vor 2034 voll angeglichen werden. Die Harmonisierung der Beamtenpensionen mit ASVG muss vorverlegt werden. „Sonderpensionen“ oder „Luxusrenten“ müssen möglichst sofort auslaufen. Ein Stop der Frühpensionen im öffentlichen Dienst wäre zu erzwingen. Eine automatische Einbeziehung weiterer Lebenserwartungszuwächse – von derzeit 71-101 Tagen jährlich – wäre durch eine sanfte Anhebung des Regelpensionsalters von zwei bis drei Monaten jährlich zu erreichen. Nichts davon ist bei der immer noch vorherrschenden, völlig verantwortungslosen Wohlfühlpolitik fast aller Parteien mit Ausnahme der Neos absehbar. Das Platzen dieser Wohlfühlblase wird sehr schmerzhaft. Wie sich ÖVP und Grüne in der türkis-blau-roten Pensionspolitik noch erkennen können ist rätselhaft
Georg Renner