"Seitdem ich Bundeskanzler bin“, hat Sebastian Kurz (ÖVP) Ende August im Interview mit der Kleinen Zeitung erklärt, „habe ich den Zugang verfolgt, kleinere Pensionen etwas stärker anzupassen. Diesem Weg werden wir auch weiter treu bleiben.“
Und so kommt es nun auch: Im heutigen Ministerrat wird die türkis-grüne Regierung dem Nationalrat eine gestaffelte Pensionserhöhung vorlegen: Der Richtsatz für die Ausgleichszulage, auf den kleine Pensionen aufgestockt werden, wird auf 1.000 Euro angehoben – eine Steigerung von 3,5 Prozent. Je höher die Pension, desto niedriger fällt die prozentuelle Steigerung aus; ab einer Pensionshöhe von 2.333 Euro gibt es nur noch einen Fixbetrag von 35 Euro – für höhere Pensionen gibt es somit weniger als die 1.5-prozentige Steigerung, die der Teuerung entspräche. Anders gesagt: Niedrige Pensionen werden deutlich stärker erhöht – vergleichsweise hohe verlieren sogar an Wert.
Pensionsrecht
Die türkis-grüne Koalition knüpft hier nahtlos an die langjährige Tradition an, den eigentlich im Pensionsrecht verankerten Automatismus außer Kraft zu setzen, sämtliche Pensionen genau um die errechnete Teuerung zu erhöhen. Seit 2004 gibt es diesen Mechanismus – angewandt wurde er bisher kein einziges Mal, weil die Politik jedes Jahr einen höheren Betrag einsetzte, um den zumindest bestimmte Pensionen steigen sollen.
Aber während das in vielen Fällen kaum auf Widerspruch traf – auch, weil es sich bei rund 2,3 Millionen Pensionsbeziehern um eine gewaltige Wählergruppe handelt –, regt sich heuer gewichtige Kritik. Die Übergangsregierung unter Brigitte Bierlein hatte nämlich die jahrelang verwaiste Alterssicherungskommission besetzt, die über die Nachhaltigkeit des Pensionssystems befinden soll.
Und deren Chef, Walter Pöltner – selbst lange Jahre Sektionschef im Sozialministerium und Kurzzeit-Minister nach Ende der türkis-blauen Regierung – warnt nun offen davor, das Versicherungsprinzip im Pensionssystem auszuhöhlen.
Durch die Aufwertung kleiner Pensionen mit staatlichen Zuschüssen und der faktischen Kürzung von jenen Pensionen, deren Bezieher jahrelang hohe Beträge in die Sozialversicherung eingezahlt hatten, würden sich die Gewichte im System langsam verschieben: Die Regierung würde dem Sozialprinzip offenbar einen höheren Stellenwert einräumen als dem Versicherungsprinzip, sagt Pöltner. Er lobt zwar die Anhebung der Ausgleichszulage – „da geht es um Existenzen“ –, aber die Reihe hoher Pensionsanpassungen sei ein Problem.
Das alles vor dem Hintergrund, dass der Betrag, den der Steuerzahler zu den Pensionen zuschießen muss, in den kommenden Jahren explodieren werde, weil die Ausgaben durch die erweiterte Hacklerregelung steigen, die Beiträge durch die Krise aber sinken werden.
In der Regierung stört man sich daran nicht: „Wir – die Grünen – haben uns daran orientiert, dass Armutsgefährdung über die Erhöhung der Ausgleichszulage reduziert wird“ so Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) zur Kleinen Zeitung. Anlässlich der Wirtschaftskrise sei es wichtig, besonders kleine Pensionen zu stärken. „Unser Ziel wird es auch in den nächsten Jahren sein, die Ausgleichszulage stärker zu erhöhen“, sagt Anschober. Und Kurz? Der will Pöltners Kritik auf Anfrage nicht kommentieren.
Georg Renner