Der Vorsitzende der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, sieht die von der Regierung angekündigte Pensionserhöhung für nächstes Jahr ambivalent. Im Gespräch mit der APA warnte Pöltner vor einer Aushöhlung des Versicherungsprinzips. Dem stehe aber das Sozialprinzip "fast gleichwertig gegenüber" und die Regierung habe offenbar dem Sozialprinzip einen höheren Stellwert eingeräumt als dem Versicherungsprinzip.
Nach der am Sonntag von der Regierung verkündeten Vereinbarung, die am Mittwoch vom Ministerrat beschlossen werden soll, werden kleine Pensionen bis 1.000 Euro um 3,5 Prozent angehoben, auch die Ausgleichszulage wird auf 1.000 Euro angehoben. Bis zu einer Pensionshöhe von 1.400 Euro wird die Anpassung auf den Inflationswert von 1,5 Prozent abgeschmolzen. Diese gesetzlich vorgesehen Erhöhung gibt es bis zu einer Pensionshöhe von 2.333 Euro, darüber einen Fixbetrag von 35 Euro.
Pöltner sieht durch diese soziale Staffelung das Versicherungsprinzip ausgehöhlt, weil Personen, die mehr an Beiträgen eingezahlt haben, eine geringere Pensionserhöhung erhalten. Wenn man das einmal mache, falle das nicht so sehr ins Gewicht, aber solche Pensionsanpassungen gebe es nun schon über mehrere Jahre und: "Die Reihe macht das Problem aus", betont Pöltner und stellt fest: "Über die Verteilungsgerechtigkeit kann man streiten."
Der Vorsitzende der Alterssicherungskommission sieht auf der anderen Seite aber auch die soziales Dimension: "Hinter jeder kleinen Pension steht ein Mensch." Vor allem, dass die Ausgleichszulage angehoben wird, findet er sehr gut. "Da geht es um Existenzen."
Neos: "Nicht treffsicher"
Von der Erhöhung vom 3,5 Prozent profitieren 1,148 Millionen Personen mit einer Pension bis 1.000 Euro. Davon sind aber nur rund 200.000 Personen Bezieher einer Ausgleichszulage. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker kritisierte deshalb im Ö1-"Morgenjournal" nochmals, dass die Pensionsanpassung nicht sozial treffsicher sei.
Pöltner hielt dem entgegen, dass viele der ins Ausland überwiesenen Pensionen sehr gering seien und "nicht das große Geld" ausmachen. Manche, die nur einige Monate in Österreich gearbeitet haben, bekämen nur 50 oder 100 Euro. Laut Pensionsstatistik werden rund 280.000 Pensionen ins Ausland exportiert, die Pensionshöhe liegt bei durchschnittlich rund 300 Euro. Umgekehrt beziehen mehr als 400.000 Österreicher eine Pension aus dem Ausland mit einer durchschnittlichen Höhe von etwa 500 Euro.
Die von der Regierung angegebenen Kosten für die Pensionsanpassung von rund einer Milliarde Euro sind für Pöltner recht hoch. Er verwies darauf, dass dies rund ein Zehntel des Bundesbeitrages von etwa zehn Mrd. Euro seien. Das werde die Alterssicherungskommission in ihrem mittelfristigen Gutachten, das im November präsentiert wird, zu berücksichtigen haben. Für das langfristige Gutachten, das auf März nächsten Jahres verschoben wurde, werde das zwar nicht so gravierende Auswirkungen haben. "Aber in den nächsten Jahren wird der Bundesbeitrag explodieren", prophezeite der Vorsitzende der Alterssicherungskommission. Das liege aber nicht nur an der Pensionsanpassung, sondern vor allem an der Wiedereinführung der abschlagsfreien Hacklerregelung und an den geringeren Beitragseinnahmen durch die Corona-Krise.