Der Bürgermeister-Stichwahl-Sonntag in Vorarlberg hat mit einer Sensation geendet: Der ehemalige SPÖ-Parteichef Michael Ritsch (52) setzte sich bei seinem vierten Antreten in der Landeshauptstadt Bregenz durch und stieß Bürgermeister Markus Linhart (60, ÖVP) vom Sessel. Der aktuelle SPÖ-Chef Martin Staudinger machte mit seinem Erfolg in Hard am Bodensee den "roten Sonntag" perfekt. In Lochau am Bodensee gibt es mit Frank Matt (57) den ersten grünen Bürgermeister Vorarlbergs.
SPÖ drehte Bregenz
Sowohl in Bregenz als auch in Hard dürften die Stimmen der Grün-Wähler den Ausschlag gegeben haben. In Bregenz holte Ritsch einen Rückstand von knapp 900 Stimmen auf Langzeitbürgermeister Linhart (seit 1997) auf, obwohl Linhart in einem Brief an die Bürger versprochen hatte, im Falle eines Erfolgs die schwarz-grüne Koalition fortzusetzen. In Hard baute Staudinger seinen kleinen Stimmenvorsprung aus dem ersten Wahlgang zu einem Erdrutschsieg aus.
Suche nach neuem Parteichef
Sowohl Ritsch als auch Staudinger zeigten sich in ersten Stellungnahmen "überwältigt". Für die SPÖ bedeutet der Wahlerfolg von Staudinger, dass sie sich nach einem neuen Parteichef umsehen muss. Der 41-Jährige - erst seit zwei Jahren an der Parteispitze - wird sich wie angekündigt auf das Bürgermeisteramt fokussieren. Ob er als einfacher Abgeordneter im Landtag verbleiben wird, konnte er am Sonntag noch nicht sagen. Ritsch seinerseits stellte bereits klar, dass er aus dem Landtag ausscheiden werde.
Jüngster Gemeindechef im Ländle
Beinahe hätte in Bludenz SPÖ-Kandidat Mario Leiter das "Double" zu einem "Triple-Erfolg" ausgebaut, doch blieb er letztendlich 222 Stimmen hinter ÖVP-Newcomer Simon Tschann zurück. Der 28-jährige Tschann wird dadurch zum aktuell jüngsten Bürgermeister Vorarlbergs. Ungefährdet blieb ÖVP-Bürgermeister Wolfgang Matt in Feldkirch - ein kleiner Trost für die Volkspartei. Neben Feldkirch und Bludenz ist Dornbirn die einzige verbliebene Stadt mit einem ÖVP-Oberhaupt (Andrea Kaufmann). Vor fünf Jahren ging bereits Hohenems an die FPÖ (Dieter Egger) "verloren".
Erster grüner Bürgermeister in Vorarlberg
In Lochau am Bodensee holte Augenarzt Frank Matt beinahe sieben Prozentpunkte Rückstand auf Bürgermeister Michael Simma (ÖVP) aus dem ersten Wahlgang auf. Der vor zehn Jahren in die Politik eingestiegene Matt krönte sich damit zum ersten Bürgermeister der Grünen in Vorarlberg.
Umstrittenes Benko-Immobilienprojekt
Und auch in Lech am Arlberg standen die Zeichen auf Veränderung: Dort löste Stefan Jochum Langzeitbürgermeister Ludwig Muxel (seit 1993) ab. Muxel konnte zwar etwas von seinem Rückstand gegenüber Jochum aus dem ersten Wahlgang wettmachen, blieb letztlich aber doch deutlich um über sechs Prozentpunkte hinter Jochum zurück. Muxel stolperte über die Pläne bei der Gestaltung des neuen Gemeindezentrums. Das bereits in Umsetzung befindliche Großprojekt mit Investitionskosten von 38 Millionen Euro spaltete die Gemeinde. Jochum punktete bei den Wählern insbesondere mit seiner Haltung, dass das Großprojekt in eine Richtung steuere, die ihm nicht gefalle.
Einen Höhepunkt erlebten die Auseinandersetzungen im Juli: Die Händler schlugen in einem offenen Brief Alarm - sie schrieben, dass die KaDeWe-Gruppe des Tiroler Immobilieninvestors Rene Benko ein fertiges Konzept für ein Einkaufszentrum mit 2.510 Quadratmetern im Gemeindezentrum vorgelegt habe. Damit würde Lechs Handelsfläche um einen Schlag verdoppelt.
Als langjähriger Mitstreiter und Vertrauter von Muxel hatte sich Jochum - er ist der Standesbeamte von Lech - erst im Sommer zur Kandidatur bei der Bürgermeister-Direktwahl entschlossen. Beim ursprünglichen Wahltermin am 15. März, der aufgrund der Corona-Pandemie verschoben wurde, wäre Jochums Name nicht auf dem Wahlzettel gestanden.