Pro: Birgit Hebein (Grüne)
Dass wir die Frage, ob wir Menschen aus Moria in Österreich aufnehmen oder nicht, überhaupt diskutieren müssen, ist für mich völlig unverständlich. Wir entscheiden hier über nichts weniger als das Leben von Menschen auf der Flucht, das Leben von Kindern. Kinder, die vor dem Krieg geflohen sind und jetzt unter unwürdigsten Bedingungen im Dreck leben. Kinder, die schutzlos einer Pandemie ausgeliefert sind, die ohne Obdach, ohne Aussicht auf Zukunft gestrandet sind. Dass wir hier nicht schon seit Monaten ganz klar Ja sagen, ja zur Menschlichkeit, wirft viele Fragen auf.
Wie kann eine solche Entscheidung in Europa, in Österreich gegen die Menschenwürde getroffen werden? Wie kann sich eines der reichsten Länder der Welt, im Herzen Europas, das für Menschenrechte und friedliches Miteinander steht, dieser Verantwortung entziehen?
Wie kann es so weit kommen, dass eine Partei Menschenleben mit Prozentpunkten bei der Wien-Wahl gegenrechnet? Wann hat die türkise Partei angefangen, die eigenen christlich-sozialen Werte zu vergessen? Wann hat der Bundeskanzler, der Außenminister, der Finanzminister begonnen, Österreich die Menschlichkeit abzusprechen? Wenn das Haus der Nachbarn abbrennt und sie obdachlos werden, dann hilft man. Dann sagt man nicht: Ich helfe nicht, weil sonst wird der Nächste mit einem brennenden Haus auch meine Hilfe erwarten. Ich stimme Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu: „Österreich hat eine lange und große Tradition, Menschen in Not zu helfen. Die Österreicherinnen und Österreicher waren immer bereit, jenen unter die Arme zu greifen, die sich selbst nicht mehr helfen konnten.“
In Österreich haben sich Wien sowie Dutzende andere Gemeinden bereits für die Aufnahme von Kindern aus Moria ausgesprochen. Darunter auch ÖVP-Bürgermeister, wie jener aus Sautens in Tirol. Die Bischofskonferenz appelliert an die Bundesregierung, der Kardinal auch. Es ist mir schleierhaft, warum die neue Volkspartei diese Stimmen ignoriert, mehr noch: Warum die neue Volkspartei sich gegen die Hilfsbereitschaft von jedem und jeder Einzelnen stellt. Es geht auch anders: Deutschland und die Niederlande holen Menschen aus diesem Elend. Die CDU, die niederländischen Konservativen (VVD) stellen Menschenwürde über parteipolitische Taktiererei.
Es besteht die humanitäre Verpflichtung zu helfen. Für jede Partei. Je mehr Druck auf die türkisen Regierenden entsteht, je lauter die Stimmen werden – auch aus der eigenen Partei –, umso größer die Chance, dass sich ein klares Ja zur Menschlichkeit durchsetzt.
Contra: Gernot Blümel (ÖVP)
Wir stehen an der Seite Griechenlands – mit konkreter Hilfe vor Ort und jener Unterstützung, die von Griechenland gewünscht und benötigt wird. Österreich hat Griechenland heuer bereits eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Außerdem haben wir 181 Wohn- und Sanitärcontainer nach Griechenland geschickt und weitere Millionen zugesagt. Aufgrund der aktuellen Ereignisse reagiert die Bundesregierung mit einem Soforthilfepaket, um die Lebensbedingungen in den Lagern zu verbessern. Unterkünfte, Hygienepakete und medizinisches Personal werden zur Verfügung gestellt und nächste Woche mit Frachtflugzeugen transportiert.
Darüber hinaus und angesichts der humanitären Krisen in vielen Teilen der Welt – auch aufgrund der Pandemie – stellt die Bundesregierung noch mehr Hilfe zur Verfügung: Die Mittel für Katastrophenhilfe werden verdoppelt, der Auslandskatastrophenfonds von 25 auf 50 Millionen Euro aufgestockt. Denn wir haben die christlich-soziale Verantwortung, den Ärmsten der Armen vor Ort zu helfen, in Griechenland wie auch in vielen anderen Staaten dieser Welt. Nächste Woche werden vom Innenministerium 400 vollausgestattete Unterkünfte mit Heizungen, Betten, Decken, etc. für 2000 Personen samt Hygienepaketen nach Griechenland geschickt. Weiters stehen ein Arzt und zehn Sanitäter des Heeres für Griechenland zur Verfügung.
Österreich hat bei der Aufnahme von Flüchtlingen schon bisher extrem viel geleistet. Allein im Jahr 2020 haben wir bereits 3700 Kinder aufgenommen, das sind mehr als 100 Kinder pro Woche. Wir lösen aber keine Probleme, wenn wir umverteilen und zusätzliche Migranten aufnehmen, sondern verschärfen diese nur und bedienen das Geschäft der Schlepper. Das Jahr 2015 sollte eine Lehre sein. Damals haben wir gesehen, was passiert, wenn falsche Hoffnungen geweckt werden und sich dadurch noch mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen.
Gerade in Wien muss es eine Abkehr von der verfehlten Willkommenskultur geben.
Denn erst kürzlich hat der Integrationsbericht aufgezeigt, wie sich Wien in den vergangenen zehn Jahren verändert hat. Die Zahl der Nicht-Österreicher in Wien ist seit 2010 von 346.000 auf 589.000 Menschen gestiegen. Damit ist der Nicht-Österreicher-Anteil in Wien von 20 Prozent auf 30 Prozent gestiegen und liegt damit fast doppelt so hoch wie im Österreichschnitt. Wir bieten eine Mitte-rechts-Politik mit Anstand und Hausverstand. Integration muss gerade in Wien gefördert, aber auch eingefordert werden.