Eigentlich hätte er schon vor zwei Wochen vorliegen sollen, der türkis-grüne Gesetzesentwurf für den Kampf gegen Hass im Netz. Doch das Papier verzögert sich, die Verhandlerinnen, Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), konnten sich bei zahlreichen Punkten bisher nicht einigen.
Das scheint wenig verwunderlich, bewegt man sich hier legistisch doch in einem Spannungsfeld zwischen Opferschutz und Einschränkung der Meinungsfreiheit. „Jeder Beistrich, jeder Nebensatz muss wohlüberlegt sein, und bei einem so umfangreichen Paket dauert das eben“, heißt es aus dem Justizministerium.
Eckpunkte seit Monaten bekannt
Die Eckpunkte des Vorhabens sind seit Monaten bekannt. So sollen Online-Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden, wenn es um das Löschen verhetzender oder anderer potenziell rechtswidriger Inhalte geht. Weiters soll Opfern die juristische Verfolgung solcher Postings erleichtert werden. Auf ein „Upskirting“-Verbot (das unbefugte Fotografieren des Intimbereichs) konnte man sich bereits einigen.
Dass das Thema ein komplexes ist, weiß auch Ingrid Brodnig. Die Netz-Expertin und Autorin betont jedoch, dass es wichtig sei, „dass Paragrafen gegen Verhetzung oder üble Nachrede auch in Zeiten von Facebook und Co. noch eine Wirkung haben“. Im geplanten Gesetzespaket der Regierung sieht sie keine Neuerfindung des Rechts, sondern ein notwendiges „Nachjustieren“.
FPÖ sieht "staatliche Zensur"
Anders sieht das die FPÖ, die in den türkis-grünen Plänen einen „massiven Eingriff in die Meinungsfreiheit“ sowie den Versuch von „staatlicher Zensur“ sieht, wie FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst bei einer Pressekonferenz erklärte. Ziel der Regierung sei „die Tilgung eines gewissen Meinungsspektrums“, womit vor allem „das rechte, bürgerliche Spektrum“ gemeint sei.
Die Partei lässt indes mit eigenen Vorschlägen aufhorchen. So sollen Betreiber von Profilen auf Facebook, Youtube und Co. ab 10.000 Followern oder Abonnenten in einem Impressum genannt werden und für die Kommentare auf ihrer Seite verantwortlich gemacht werden. Laut Brodnig sei das schon jetzt der Fall, eigenhändig alle Kommentare prüfen müssen die Betreiber jedoch nicht. Nur bei Beschwerden müssen sie aktiv werden. „Ich finde diesen Vorschlag faszinierend, weil dann die FPÖ auch automatisch für alle strafbaren Hasskommentare verantwortlich wäre, die auf ihren größeren Seiten gepostet werden.“
"Entschuldigungsgrund", wenn Emotionen hochgehen
Auch ein anderer Vorschlag sorgt bei der Expertin für Unverständnis. Die FPÖ spricht sich für eine Art „Entschuldigungsgrund“ für Hass-Postings aus. Wenn diese in einem Ausbruch heftiger Emotionen verfasst wurden, solle sich das bei einer Anzeige strafmildernd auswirken. „Ich halte so einen Vorschlag für problematisch“, sagt Brodnig. „Dann besteht doch die Gefahr, dass Menschen zu Gewalt gegen Minderheiten online aufrufen und dann vor Gericht erklären, dass sie ja einfach nur wütend waren – und damit dann davonkommen.“
Justizministerin Zadic will die FPÖ-Vorschläge nicht kommentieren, sie hofft indes auf eine baldige Einigung mit dem Koalitionspartner. „Wir sind in der absoluten Finalisierung, nächste, spätestens übernächste Woche wird es so weit sein“, versichert sie. Überbordende Erwartungen will sie jedoch dämpfen. „Dieses Phänomen wird nicht von heute auf morgen verschwinden.“
Aktuell sind auch Politikerinnen selbst immer wieder Hass im Netz ausgesetzt. Zuletzt hat auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) digitale Morddrohungen erhalten. Der Verdächtige wurde ausgeforscht, der Personenschutz für die Ministerin verstärkt.