Ein friedliches Miteinander und Begegnungen auf Augenhöhe standen eigentlich im Mittelpunkt des von Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig gestern Mittag einberufenen Medientermins. Präsentiert wurde der Campus der Religionen, ein auf 10.000 Quadratmetern in der Seestadt geplanter Gebäudekomplex, in dem in ein paar Jahren acht verschiedene Konfessionen und die Kirchliche Pädagogische Hochschule eine Heimat finden sollen.
Um das friedliche Miteinander unter den Religionen war es zumindest bei diesem Termin eindeutig besser bestellt als um den Koalitionsfrieden in der Stadt. Befragt wurde Ludwig im Anschluss an die Präsentation nämlich nicht zum Bauprojekt in Aspern, sondern hauptsächlich zum von der grünen Verkehrsstadträtin Birgit Hebein forcierten Projekt “autofreie Innenstadt”.
Seit gestern liegt für die geplante Verkehrsberuhigung ein erster Verordnungsentwurf mit insgesamt 16 Ausnahmen vor – zum offensichtlichen Unmut des Bürgermeisters. Ludwig beschwerte sich, erst am Montagabend darüber in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Außerdem fand er es ungewöhnlich, dass Medien über den Entwurf informiert wurden, bevor dieser der Rechtsabteilung der Stadt zur Prüfung vorgelegt worden ist. Als “Aktionismus” bezeichnete Ludwig daher das Vorgehen des grünen Koalitionspartners.
Im Büro der Vizebürgermeisterin kann man den Vorwurf nicht nachvollziehen. Ludwig sei in Gesprächen mit Hebein, zuletzt im Juli, einer Verordnung immer positiv gegenübergestanden, heißt es auf Nachfrage. Außerdem sei auch die Rechtsabteilung ständig informiert worden.
Der hörbare Unmut des Bürgermeisters liegt wohl auch daran, dass die Grünen mit der Veröffentlichung des Verordnungsentwurfs versuchen, den Druck auf ihn zu erhöhen. Sie wollen das Projekt unbedingt noch vor der Landtagswahl am 11. Oktober umsetzen, was die SPÖ wiederum ablehnt. Wie schnell es tatsächlich geht, hängt entscheidend von besagter Rechtsabteilung ab. Diese muss der Verordnung zustimmen, erst dann kann sie im Amtsblatt der Wiener Zeitung kundgemacht bzw. gleichzeitig entsprechende Verkehrsschilder für die Innenstadt bestellt werden. Hebein spricht von einer möglichen Umsetzung in drei Wochen.
Ludwig hält diesen Plan “für sehr unrealistisch” und kündigt damit mehr oder weniger an, ihm einen Riegel vorzuschieben. Die sogenannte Magistratsdirektion Recht untersteht nämlich dem Bürgermeister, Frist für eine Entscheidung über die Verordnung gibt es keine. Es ist also nicht verwunderlich, wenn Ludwig betont, den Entwurf “genau prüfen zu wollen” und erst nach “zusätzlichen Gesprächen” zu bewerten, ob er eine “tragfähige Mehrheit” findet. Das dauert eben seine Zeit. Die Grünen betonen wiederum, dass alle Betroffenen gehört und deren Vorstellungen bereits in den jetzt vorliegenden Entwurf eingeflossen sind. Für Hebein ist klar: “Der Umsetzung des Projektes steht jetzt sachlich nichts mehr im Weg.”
Andreas Terler