Sollen abgelehnte Asylwerber, die in Österreich eine Lehre in einem gefragten Beruf abgeschlossen haben, hierbleiben und arbeiten dürfen – oder sollen sie in ihr Heimatland zurückkehren, vielleicht sogar abgeschoben werden müssen?
Eine Frage, die dieser Tage, fünf Jahre nach der großen Migrationswelle von 2015, immer mehr Gesichter bekommt – wie jenes von Ali Ahmed Amiri, dessen Fall gerade in der Südoststeiermark hohe Wellen schlägt: 2015 kam der damals 16-jährige Afghane nach Österreich. Er lernte Deutsch und hat seither eine Lehre im Lokal „Delikaterie“ in Bad Gleichenberg absolviert. Bis jetzt hat er dort als Koch gearbeitet – nun muss er das Land verlassen.
Auch Fachkräfte müssen gehen
„Ali ist fleißig, macht alles, wir bilden ihn aus, investieren in ihn. Und dann das. Das ist nicht logisch, es ist eine Katastrophe für uns“, sagt sein Chef Daniel Freismuth und weist auf den massiven Fachkräftemangel in der Gastronomie hin. Immer wieder würde er Stellen ausschreiben, Bewerbungen gibt es aber kaum.
Dass Menschen wie Amiri überhaupt ihre Lehre abschließen können – schon das war ein politischer Kompromiss, betrieben von dem heutigen Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne): Er hatte in den vergangenen Jahren als oberösterreichischer Landesrat eine breite Allianz an Fürsprechern für ausbildungs- und arbeitswillige Asylwerber, denen kein Schutz in Österreich zugesprochen wird, versammelt. Junge Menschen, die bereit seien, Mangelberufe zu erlernen und auszuüben, zwangsweise wegzuschicken, sei nicht nur inhuman, sondern auch ökonomisch dumm.
Eine Linie, die auch in der ÖVP Unterstützer fand – vor allem in den westlichen Bundesländern, aber auch etwa bei dem damaligen Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl oder Niederösterreichs Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll.
Schon die Ausbildung war ein Kompromiss
Die Folge: ein Kompromiss. Ende des Vorjahres beschlossen ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos, dass Asylwerber eine in Österreich begonnenen Lehre abschließen dürfen, auch wenn ihr Antrag abgelehnt worden war – mehr aber auch nicht.
Genau in dieser Situation ist Amiri jetzt – und demnächst Hunderte weitere Lehrlinge, die sich dem Abschluss ihrer Ausbildung nähern.
Die Südoststeirerin Heike Schmidt, die Amiri in ihre Familie aufgenommen hat, hat Bad Gleichenberger mobilisiert, um Amiri symbolisch zu unterstützen. „Es stehen so viele Menschen hinter Ali, er ist so wertvoll für uns. Es ist ein riesiger Verlust.“ Es geht ihr aber nicht um die Abschiebung an sich, denn „wir leben in einem Rechtsstaat, das ist Gesetz“. Sie kann aber nicht verstehen, warum Amiri nicht in Österreich um die Rot-Weiß-Rot-Card ansuchen kann.
"Bitte lassen Sie ihn den Antrag hier stellen"
Die Rot-Weiß-Rot-Card, das ist jenes Instrument, mit dem Ausländer nach Österreich kommen und hier arbeiten können, wenn sie einen Mangelberuf beherrschen – darunter etwa Gaststättenkoch. Nur: Den Antrag auf die Karte kann ein Ausländer nur in der für seine Heimat zuständigen österreichischen Botschaft stellen – in Amiris Fall jene im pakistanischen Islamabad. Was für Amiri schwierig sei: Er hat keine Papiere, kein Visum für Pakistan, vor Ort weder Geld noch Familie. „Bitte lassen Sie ihn den Antrag hier stellen!“, appelliert Schmidt.
Solcher Fälle wegen sprechen sich die Grünen – zuletzt etwa Vizekanzler Werner Koglerim ORF-„Sommergespräch“ – dafür aus, die Rot-Weiß-Rot-Card auch von Österreich aus beantragen zu können. Auf den ersten Blick eine mehrheitsfähige Position: Einer aktuellen „profil“-Umfrage zufolge sprechen sich 53 Prozent der Österreicher dafür aus, Lehrabsolventen im Land zu halten.
Im Parlament gibt es dafür aber keine Mehrheit: Die ÖVP sieht – wohl auch mit Rücksicht auf Hunderttausende ehemalige FPÖ-Wähler, die sich zuletzt für sie entschieden haben – im bestehenden Kompromiss „eine gute Lösung“, so Integrationsministerin Susanne Raab: Es sei immer klar gewesen, dass Menschen mit einem negativen Asylbescheid das Land verlassen müssen.