Der Verfassungsgerichtshof beschäftigt sich nächste Woche neuerlich mit den von der Regierung gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Im Vorfeld fordert die SPÖ einmal mehr eine (von der Regierung bisher abgelehnte) Generalamnestie. Vizeklubchef Jörg Leichtfried verweist drauf, dass zuletzt auch das Landesverwaltungsgericht Wien Zweifel an den Ausgangsbeschränkungen angemeldet hatte.
Laut einer Anfragebeantwortung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) an die SPÖ hat die Polizei zwischen 16. März und 17. Juni fast 35.000 Anzeigen nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz oder dem Epidemiegesetz eingebracht. Wie viele Strafen verhängt wurden - und wie viele davon wegen eines Verstoßes gegen die Ausgangsbeschränkungen - ist nicht bekannt.
Gericht suchte um bei VfGH um Aufhebung an
Zu den Kritikern der Ausgangsbeschränkungen hat sich zuletzt auch das Landesverwaltungsgericht Wien gesellt. In einem Normprüfungsantrag hat das Gericht den Verfassungsgerichtshof ersucht, die am 15. März erlassene Verordnung von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) über die Ausgangsbeschränkungen nachträglich für rechtswidrig zu erklären.
Die Argumentation des Gerichts, über die "Der Standard" am Freitag zuerst berichtete: Das Covid-19-Maßnahmengesetz hatte dem Minister nur erlaubt, das Betreten "bestimmter Orte" zu untersagen. Tatsächlich erließ er aber ein Betretungsverbot für den gesamten öffentlichen Raum, das nur durch breit gefasste Ausnahmen abgefedert wurde. Somit wurde aus Sicht der Richter der Grundsatz verletzt, dass Grundrechtseingriffe eine exakte gesetzliche Determinierung erfordern.
"Amnestie ist billig"
Leichtfried kritisiert, dass sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den vollziehenden Behörden nicht mehr klar gewesen sei, was erlaubt war und was nicht: "Eine Amnestie ist deshalb nur recht und billig und zwar ohne, dass in jedem Einzelfall Rechtsmittel ergriffen werden müssen." Er warte nun gespannt auf die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs. Dennoch müsse die Verfolgung dieser Fälle eingestellt und ein Amnestiegesetz vorgelegt werden, so Leichtfried in einer Aussendung. Denn das nütze den unverschuldet Bestraften und entlaste die Landesverwaltungsgerichte.