Vor genau zehn Jahren herrschten in Wien noch burgenländische Verhältnisse: Die SPÖ regierte mit absoluter Mehrheit. Andere Parteien stellten zwar Stadträte, doch die waren allesamt „nicht amtsführend“. Bei der Wahl im Oktober 2010 verlor die SPÖ die ersten fünf Prozent, fünf Jahre später die nächsten. Dass Michael Häupls 39 Prozent trotzdem als Erfolg wahrgenommen wurden, lag an einem perfekt inszenierten rot-blauen Duell. Das fand so zwar nie statt, half aber bei der Mobilisierung.
Am 11. Oktober wählt Wien das nächste Mal. Michael Ludwig dürfte den Abwärtstrend der SPÖ wohl stoppen: Umfragen sehen die ihn bei einem ähnlichen Ergebnis wie 2015.
Verliererin der letzten Wien-Wahl war die ÖVP. Ein Machtfaktor war sie in Wien noch nie, doch 2015 schrumpfte sie zur Kleinpartei. Dass Gernot Blümel, der türkise Spitzenkandidat in seinem Brotjob Finanzminister ist, soll aber nicht zu falschen Schlüssel verleiten: Entscheidender wird der Parteichef sein. Seit Sebastian Kurz nämlich die ÖVP übernahm, legten die Türkisen bei Nationalrats- und EU-Wahlen in Wien deutlich zu. Manche sehen die Stadttürkisen bei 25 Prozent, die Parteizentrale legt die Latte auf 15 Prozent.
Spagat für die Grünen
Die Grünen, die die Stadt seit zehn Jahren sichtbar mitgestalten, werden seit einem Jahr von Birgit Hebein geführt. Dass sie die türkis-grüne Koalition im Bund mitverhandelte, machte sie zu einer wichtigen politischen Playerin. Ihren Job als Vizebürgermeisterin vereinfacht das aber nicht: Das Abgleichen von Entscheidungen, die ihre grünen Kollegen im Bund mittragen, mit Wiener Positionen, erweist sich oft als Spagat.
Bei der letzten Wien-Wahl führte Beate Meinl-Reisinger die Neos an und fischte im Wählerteich der ÖVP. Mit Kandidaten wie Clemens Raidl, dem Sohn von ÖVP-Größe Claus Raidl, machte sie der nachkommenden bürgerlichen Generation ein attraktives Angebot. Doch Clemens Raidl wechselte vergangene Woche zur ÖVP, und Beate Meinl-Reisinger ist mit Bundespolitik beschäftigt. Trotzdem zeigte die Neos vor, wie man mit nur fünf Abgeordneten Oppositionspolitik machen kann.
Die Zukunft von Strache
Ob das Heinz-Christian Strache und seinem „Team“ - so der Einzug ins Stadtparlament gelingt - ist fraglich. Straches politischer Traum war es lange, Wiener Bürgermeister zu werden. 2015 erreichte er als FPÖ-Chef mehr als 30 Prozent. Mit seiner FPÖ-Abspaltung muss er nun um den Einzug zittern - und macht nebenbei der Rest-FPÖ das Leben schwer. Die geht mit dem weitgehend unbekannten Dominik Nepp in die Wahl und wird sich voraussichtlich marginalisieren.
Für Bürgermeister Ludwig ist das eine komfortable Situation, die aber auch ihre Tücken hat: Ihm muss es gelingen, seine Sympathisanten tatsächlich zum Wählen zu bewegen. Diesmal ohne ernsthaften Herausforderer, dafür mit Corona-Angst im Nacken.
Veronika Dolna