Eigentlich sollte es bei der Sondersitzung des Nationalrates monothematisch zugehen: Sie wurde einberufen, um die geplante Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie sowie im Medien- und Kulturbereich zu beschließen, damit diese möglich rasch in Kraft treten kann. Auf Sonderinstrumente wie dringliche Anfragen oder dergleichen wollten alle Klubs verzichten.
Doch nach dem Wirbel der vergangenen Tage gibt es eine Planänderung: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) wird am Dienstag im Plenum vor den Abgeordneten zu ihren Plänen Stellung beziehen. Auch ein Termin für den Nationalen Sicherheitsrat sei bereits in Abstimmung mit dem Bundeskanzler.
Nach der Aufregung um den angekündigten Reformprozess beim Bundesheer - inklusive Reduktion der militärischen Landesverteidigung auf ein Minimum - und die damit einhergehende Kritik an Ministerin Tanner selbst hatte die Opposition bereits am Freitag und erneut am Wochenende eine Stellungnahme Tanners im Plenum gefordert. In einem gemeinsamen Brief an NationalratspräsidentWolfgang Sobotka (ÖVP) forderten SPÖ, FPÖ und NEOS, dass Tanner in der Sondersitzung am kommenden Dienstag über ihre Pläne und Vorhaben berichtet.
"Es werden keine Fragen offen bleiben"
Laut Österreichs Verfassung ist das Bundesheer für die militärische Landesverteidigung zuständig. Diese Bestimmung sei von Tanner "mit ihren vor kurzem in der Öffentlichkeit präsentierten Vorstellungen für eine Neuorganisation des Österreichischen Bundesheeres mehr als infrage gestellt" worden, kritisierte die Opposition in ihrer Stellungnahme.
"Wir gehen sehr gerne hin", hieß es am Sonntag aus dem Verteidigungsministerium - auch wenn dort ob der Überraschung über Tanners Pläne Verwunderung herrschte. "Das steht alles im Regierungsprogramm", bekräftigte der Sprecher.
Dennoch werde Tanner am Dienstag Stellung beziehen und genau über den Ablauf des geplanten Reformprozesses beim Bundesheer Auskunft geben. "Ich glaube, dass danach keine Fragen offen bleiben werden", kündigte der Sprecher an.
Aufgaben erheblich eingeschränkt
Aus den bisherigen Ankündigungen leiten SPÖ, FPÖ und NEOS jedenfalls ab, dass verfassungsmäßig vorgegebene militärische Aufgaben des Bundesheeres erheblich eingeschränkt, wenn nicht gar abgeschafft werden sollen. "Eine derart tiefgreifende Umstrukturierung des österreichischen Bundesheeres, die auch eine Abkehr von der geltenden Sicherheitsstrategie bedeutet, erfordert aufgrund ihrer Tragweite und Auswirkung auf die verfassungsmäßigen Aufgaben des Bundesheeres und auf die Sicherheit Österreichs die unbedingte Einbeziehung des Parlaments und darf keinesfalls durch einen ministeriellen Alleingang geschehen", sind sich die drei Parteien einig.
Tanner hätte "überfallsartig" eine tiefgreifende Umstrukturierung des Bundesheeres angekündigt, ohne das Parlament einzubinden. "Das werden wir nicht zulassen", wehrte sich der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried in einer Mitteilung an die APA. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zeigte sich darin besorgt um Österreichs Neutralität. "Wenn es nach den Plänen der ÖVP geht, ist unser Bundesheer bald nur noch eine leere Hülle ohne die Fähigkeit, die militärische Landesverteidigung aufrecht zu erhalten", stimmte er in die Oppositionskritik ein.
"Aufhören, nur Stehsätze auszurichten"
NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak fordert von Tanner einen echten Reformprozess - "zusammen mit den Parlamentsparteien, mit Expertinnen und Experten und mit unseren europäischen Partnern". Auf jeden Fall müsse sich Tanner im Parlament erklären und aufhören, nur Stehsätze auszurichten.
Die Wehrsprecher der drei Oppositionsparteien hatten sich bereits am Freitag gemeinsam für eine Stellungnahme Tanners im Plenum stark gemacht. In einem Schreiben an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) forderten sie ihn zur Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates auf - und äußerten damit denselben Wunsch wie Tanner, die den ÖVP-Chef nach der Aufregung um ihre Reformpläne zuvor schon darum gebeten hatte.
Veronika Dolna