Was ist vom neuen Corona-Paket zu halten? Ist es ein großer Wurf? Oder ein in Einzelmaßnahmen gegossener Akt der Verzweiflung?
MARTIN KOCHER: Ein großer Wurf wäre nicht wünschenswert. Wir haben immer davor gewarnt. Solange die Unsicherheit so groß ist, ist es wohl so, dass ein Großteil des Geldes, das der Staat ausschüttet, in der Ersparnis landet. Man konzentriert sich jetzt auf die Niedrigverdiener, was sinnvoll ist, weil diese über eine geringe Sparquote verfügen.
Sehen Sie die Gefahr, dass die 40 Milliarden, die Blümel heuer in die Hand nimmt, verpuffen?
Es gibt zwei Aspekte: Die Akuthilfe war richtig, um die Verluste durch die Betriebsschließungen auszugleichen. Das Problem ist das Konjunkturpaket, das die Nachfrage stimulieren sollte. Wenn man zu viel auf einmal macht, besteht die Gefahr, dass die Milliarden verpuffen. Die tiefe Unsicherheit führt dazu, dass sich Konsumenten wie auch Unternehmer stark zurückhalten. Der Fokus auf kleine Einkommen ist richtig.
Sind Negativsteuer, Kinderbonus, die Steuersenkung, Arbeitslosengeld taugliche Maßnahmen, damit nicht Hunderttausende in die Armut abdriften?
Der Hauptzweck ist die Stabilisierung des Konsums, da sind die Niedrigverdiener der richtige Hebel. Es besteht nicht die akute Gefahr, dass die Niedrigverdiener in die Armut abdriften. Es ist eher die Erwartung vor dem Arbeitsplatzverlust nach dem Auslaufen der Kurzarbeit.
So gesehen stehen wir erst am Anfang der Krise?
Einen Großteil der Effekte werden wir erst im zweiten Halbjahr merken. Worüber wir noch nicht gesprochen haben, ist der Export, der komplett eingebrochen ist, was ein kleines Land wie Österreich nicht beeinflussen kann?
Wandelt sich unsere Exportabhängigkeit vom Segen zum Fluch?
Das hoffe ich nicht, aber es stimmt, dass wir da sehr vulnerabel sind. In guten Zeiten spüren wir es positiv, in schlechten Zeiten negativ.
So gesehen müsste es im österreichischen Interesse sein, wenn die EU 750 Milliarden in die Hand nimmt. Populär ist es ja nicht.
Grundsätzlich profitieren wir davon, wenn Europa floriert, weil ein Großteil der Exporte in die EU geht. Es gibt natürlich einen Preis dafür, darüber kann man diskutieren. Für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze eines kleinen Landes ist ein großes europäisches Paket ein Vorteil.
Es gibt Kritik an der Einmalerhöhung des Arbeitslosengeldes. Wie sehen Sie diese?
Das eine ist die Gerechtigkeitsfrage. Ich sehe ein anderes Problem: Wenn man das Arbeitslosengeld jetzt erhöht, wird es schwierig sein, es wieder abzusenken. In schlechten Zeiten ist ein höheres Arbeitslosengeld sinnvoll, in guten Zeiten eher kontraproduktiv, weil der Anreiz fehlt.
Ist die Senkung der Mehrwertsteuer überhaupt sinnvoll, wenn diese nicht an die Konsumenten weitergegeben wird? Wird da nicht Geld verbrannt?
Die Senkung halte ich für keine sehr effektive Maßnahme, um die Konjunktur anzukurbeln. Die Senkung stärkt die Liquidität der Unternehmen, hat aber keinen konjunkturpolitischen Effekt. Die Senkung des Einkommensteuersatzes, der Kinderbonus, das Arbeitslosengeld wirken konjukturpolitisch.