Die NEOS orten beim Vorsitzenden des Ibiza-U-Ausschusses, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), Befangenheit. Zu diesem Schluss kommt NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper nach Recherchen und Aktenstudium. Wie sie die APA wissen ließ, weise Sobotka "zahlreiche problematische Naheverhältnisse" zu Personen auf, die teilweise als Auskunftspersonen gelten. Die ÖVP fand das "absurd".
Etwa habe sich Sobotka in der Zeit der türkis-blauen Regierung mehrfach mit Novomatic-nahen Personen getroffen, wie beispielsweise seinem ehemaligen Pressesprecher Bernhard Krumpel, der für die Kommunikation bei Novomatic verantwortlich gezeichnet hatte, und Novomatic-Aufsichtsratsvorsitzendem Bernd Oswald, dessen Ehefrau in Sobotkas Büro gearbeitet hatte.
Besondere Brisanz sieht Krisper darin, dass Sobotkas ehemaliger Mitarbeiter Krumpel bis Mitte 2016 gemeinsam mit FPÖ-Politiker Markus Tschank und dem späteren Finanzvorstand der CASAG, Peter Sidlo, das Unternehmen Polimedia-GmbH betrieben hatte. Gegen beide ermittele die WKStA. Zudem war Tschank ja bekanntlich Präsident des "Instituts für Sicherheitspolitik", also jenes Vereins, der von der Novomatic 200.000 Euro erhalten hatte, argumentierte Krisper. Darüber hinaus sei er für ein ganzes Netzwerk an Vereinskonstruktionen ("Austria in Motion", "Patria Austria") verantwortlich gewesen. "Das Netzwerk Krumpel-Sidlo-Tschank steht folglich direkt im Fokus der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses, zumal dieser Aufschluss darüber liefern soll, welche Zahlungen die Novomatic an FPÖ-nahe Vereine - beziehungsweise über ähnliche Konstruktionen an andere Parteien - zu welchem Zweck leistete", erklärte Krisper.
Zahlreiche "Naheverhältnisse"
Abgesehen von weiterhin bestehenden Kontakten zu Novomatic-Eigentümer Graf unterhalte Sobotka zudem "andere fragwürdige Verbindungen" zum Glücksspielkonzern, so die pinke Fraktionsführerin im U-Ausschuss: "Sobotka ist Präsident des Alois-Mock-Instituts, dessen Zeitschrift ,Report' im Jahr 2019 mehrfach mit üppigen Novomatic-Inseraten bedacht wurde. Und Sobotka hat sich in seiner Zeit als niederösterreichischer Finanzlandesrat massiv gegen die damals für das kleine Glücksspiel zuständige Landesrätin Christa Kranzl gestellt, als diese im Jahr 2006 versuchte, den dubiosen Geschäftspraktiken der Novomatic Einhalt zu gebieten."
Daher bezweifelt Krisper, dass Sobotka "hier die gebotene unabhängige, sachliche und objektive Verfahrensleitung gewährleisten kann". Schließlich lägen viele, mit dem Untersuchungsgegenstand unvereinbare Naheverhältnisse vor. Unverständlich sei, wieso Sobotka die Vorsitzführung im Ibiza-Untersuchungsausschuss überhaupt angenommen habe.
Die Verfahrensordnung sehe zwar keine explizite Regelung für den Fall der Befangenheit des Präsidenten vor, so Krisper, Sobotka könne sich aber in seiner Vorsitzführung durch die Zweite bzw. den Dritten Präsidenten vertreten lassen, was eine unabhängige, sachliche und objektive Verfahrensleitung gebiete, so die Argumentation. Krisper strebt daher eine "baldige Aussprache" mit Sobotka an.
Die ÖVP findet die Forderung, dass Sobotka den Vorsitz abgeben solle, "absurd". "Wen will denn die Opposition als Vorsitzenden? Jemanden, der in den vergangenen 30 Jahren noch nie jemanden getroffen hat, der als Auskunftsperson geladen werden könnte?", fragte die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz.
"Was kommt als nächstes? Darf Präsident Sobotka dann auch den Vorsitz im Plenum nicht mehr führen, weil er schon mit ÖVP-Abgeordneten persönlich zu tun hatte?", beschwerte sich Schwarz am Samstag. Sie bezeichnete es als "starkes Stück einer Oppositionspartei", Sobotka bereits im Vorfeld des Untersuchungsausschusses vorzuwerfen, den Vorsitz nicht nach bestem Wissen und Gewissen zu führen.
"Die Vorgänge in der Opposition werden täglich absurder", teilte Schwarz mit und nannte konkret die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper und den SPÖ-Abgeordneten Kai Jan Krainer beim Namen. Krisper hatte Sobotka in Bezug auf den Ibiza-U-Ausschuss "zahlreiche problematische Naheverhältnisse" attestiert. Krainer hatte zuletzt etwa heftige Kritik an der Wahl des Ausschusslokals geübt.
"Es wäre ein Zeichen von Größe, wenn sich Krainer und Krisper für Ihre Ausritte entschuldigen", meinte Schwarz am Samstag und ergänzte: "Wenn Sie es schon nicht zur Rettung ihren eigenen Würde tun, dann tun sie es wenigstens um die Würde des Hohen Hauses nicht weiter zu beschädigen."