Rund 600 Soldaten sind derzeit in zwei Verteilerzentren der Post im Wiener Inzersdorf und im niederösterreichischen Hagenbrunn, damit beschäftigt, Pakete und Briefe zu sortieren – weil dort nach einer Reihe von Corona-Infektionen hunderte Leiharbeitskräfte ausgefallen sind.
Die Post – ein börsennotierter Konzern (allerdings zu 52 Prozent in Staatsbesitz), der im Vorjahr mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz gemacht hat – sah sich außerstande, in kurzer Zeit Ersatzpersonal zu finden, „das sich noch dazu zwei Wochen mehr oder weniger in Isolation begibt“, so ein Sprecher des Unternehmens zur Kleinen Zeitung. Es gäbe nur eine Institution in Österreich, die in der Lage sei, das und die Desinfektion der Logistikzentren schnell genug zur zur Verfügung zu stellen: Das Bundesheer.
Heeres-Katalog mit "Unterstützungsleistungen"
Dass das Heer solche Aufgaben übernimmt – zum Einsatz kommen nur Grundwehrdiener und Berufssoldaten aus Mittel- und Ostösterreich, keine der für die Krise einberufenen Milizkräfte – liegt daran, dass es schon lange solche Hilfestellungen für zivile Unternehmen und andere Institutionen anbietet.
Unter dem Titel „Unterstützungsleistungen“ gebe es einen mehrere Dutzend Seiten starken Katalog, nach dem Betriebe, Gemeinden und andere Leistungen des Heeres „bestellen“ können, erklärt Bundesheer-Sprecher Michael Bauer – von einer Grundwehrdiener-Stunde bis zum Einsatz schweren Geräts. So können etwa Gemeinden, in denen ein Hochwasser eine Brücke weggerissen hat, die Errichtung einer Brücke durch Pioniere anfordern, das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen mit Bundesheer-Helikoptern die österreichische Grenze vermessen –oder eben, wie jetzt in der Krise, im Lager von Lebensmittel-Konzernen oder der Post aushelfen. Im Schnitt rückt das Heer im Jahr 200 bis 300 Mal so aus – 2019 verzeichnete das Verteidigungsministerium einen Rekordwert von 312 Hilfsleistungen, mit rund 50.000 Einsatzstunden.
Ausbildung, Wehrpolitik oder Systemrelevanz
Damit Soldaten auf so eine Anforderung hin anrücken, muss eine von drei Bedingungen erfüllt sein: Es muss der Ausbildung dienen (etwa, eine Brücke zu errichten), einen wehrpolitischen Zweck erfüllen oder einen systemrelevanten Betrieb aufrecht erhalten. Letzterer Fall komme bei der Post infrage, erklärt Bauer.
Im Gegensatz zu Assistenzeinsätzen, die eine eigene gesetzliche Grundlage brauchen und zur Kernaufgabe des Heeres zählen, verrechnet das Verteidigungsministerium solche Hilfsleistungen aber auch weiter: Den Lebensmittelkonzernen wurden für die Corona-Hilfsdienste rund 900.000 Euro in Rechnung gestellt. Auch die Post zahlt 30 Euro pro Stunde pro Grundwehrdiener – und mehr für Berufssoldaten. Das Geld kommt aber nicht allein dem Bundesheer zugute, es muss es sich mit dem Finanzminister teilen.
Für Aufregung sorgt die Hilfeleistung aber an anderer Front: mehrere Grundwehrdiener hatten sich in Social Media über Kost und Logis in Hagenbrunn beschwert – das Heer widersprach, Feldbetten stünden in einer nahegelegenen beheizten Kasernenhalle zur Verfügung – zu Beginn des Hilfseinsatzes gab es aber nur Kaltverpflegung. Die Grünen haben ob der Beschwerden eine parlamentarische Anfrage an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (von ihrem Koalitionspartner ÖVP) eingebracht.
Georg Renner