Ulrike Lunacek hatte von Anfang an keinen guten Start. Sie erschien als Notnagel, als Tribut an die Frauenquote, als zweitbeste Lösung. Als Kulturministerin war schon eine andere gehypt worden. Als Staatssekretär hätte sich Kogler Josef Meichenitsch gewünscht, Vertrauter in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen.
Lunacek zeigte keine Angst vor dem Feind. Ihr Problem: Sie wurde auch vom eigenen Team nie als Machtfaktor gesehen, sondern als fleißige Zuarbeiterin nach innen, erprobtes (internationales) Aushängeschild nach außen, Gesicht eines Ressorts, dessen Proponenten man sich verbunden fühlt, das aber traditionell kein „Wichtiges“ ist.
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Die Kunstszene erwies sich als mächtiger als gedacht: Lunaceks Scheitern ist auch der Corona-Krise geschuldet, aber die Kunstschaffenden machte den blinden Fleck in Sachen Führungsqualität gnadenlos sichtbar. Das tut weh, denn die Treue dieser Szene zur grünen Partei ist für diese überlebenswichtig.
Vizekanzler Werner Kogler macht nach außen hin gute Figur. Nach innen hin wird ihm zunehmend angelastet, dass der Aufdecker aus Passion das Sakko gewechselt hat und zum loyalen Gefolgsmann des Kanzlers wurde. Dem wiederum vorgeworfen wird, gerade in Corona-Zeiten im Sold der Wirtschaft zu stehen und hemmungslos Fördergelder ohne die nötige Kontrolle zu verteilen. Grüner Einspruch wird kaum gehört. Wachsende Frustration bahnt sich Raum.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Justizministerin Alma Zadic gerieten im Zuge der Corona-Maßnahmen erst recht in die Kritik: Sitzungsprotokolle machten transparent, dass die Meinung der Experten gehört, aber oft nicht berücksichtigt wurde. Europaministerin Karoline Edtstadler nahm Anschober in der Pflege das Heft des Handelns aus der Hand, Arbeitsministerin Christine Aschbacher konterkariert ihn in sozialen Fragen.
Einzig Umweltministerin Leonore Gewessler ist noch unbeschadet, doch hier lauert die größte Gefahr: Die Legitimation der grünen Regierungsbeteiligung besteht vor allem nach innen hin im Versprechen der ökologischen Wende. Die Corona-Krise lässt viele an anderen Enden ziehen.
Claudia Gigler