Der Rechnungshof will nach Informationen der Kleinen Zeitung in naher Zukunft über die Aufnahme einer eingehenden Prüfung der bedenklichen Vorfälle im europäischen Corona-Hotspot Ischgl entscheiden. Konkret wollen die Prüfer der Frage nachgehen, ob die zersplitterten Kompetenzen im Gesundheitsbereich zwischen der Bundes-, der Landes-, der Bezirks- und der Gemeindeebene die Entscheidungsabläufe verschleppt und zum zögerlichen Vorgehen der Behörden beigetragen haben. Gleichzeitig haben die offenkundig vom Lockdown vorgewarnten lokalen Behörde am 13. März Dutzende, wenn nicht sogar hunderten Infizierte ohne Quarantäneauflagen aus dem Paznauntal ausreisen lassen. Von Ischgl wurde Corona in die ganze Welt, insbesondere nach Deutschland, die Niederlande und in alle nordischen Länder (Island, Norwegen, Dänemark, Schweden) exportiert. 5400 Infizierte aus 54 Ländern haben sich bereits einer Sammelklage angeschlossen. In der Zwischenzeit ermittelt auch die Staatsanwaltschaft, die bereits einen 1000 Seiten umfassenden Bericht vorgelegt hat.
Den heimischen Behörden wird der Vorwurf gemacht, bereits am 5. März von den isländischen Behörden über dramatisch hohe Infektionszahlen bei Ischgl-Heimkehrern informiert worden zu sein, aber erst Tage später – womöglich auch auf Druck der örtlichen Seilbahn-, Hotel- und Tourismuslobby - die Après-Ski-Lokale und die Skilifte zugesperrt zu haben. Relevant für die Rechnungshofprüfer, der sich vor allem für die Schnittstellenproblematik interessieren, ist etwa die Frage, ob die Informationen der isländischen Stellen rechtzeitig oder zeitverzögert an die Tiroler Gesundheitsbehörden oder die Landecker Bezirkshauptmannschaft weitergegeben worden sind. Das Gesundheitsministerium beteuert, die Informationen umgehend nach Tirol weitergeleitet zu haben, die Tiroler Stellen wenden ein, die Liste der infizierten Touristen und der betroffenen Hotels zeitverzögert erhalten zu haben.
Zu große Nähe zu Entscheidungsträgern?
Die Rechnungsprüfer wollen auch wissen, ob die regionale und lokale Nähe der Behörden zu den Verantwortlichen in Ischgl die Entscheidungsfreudigkeit gedämpft hat bzw. weniger Föderalismus energischer Beschlüsse nach sich gezogen hätten. Ohne auf Ischgl Bezug zu nehmen, hatten Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker vor einem Monat in einer Aussendung über die aus der Corona-Krise zu ziehenden Lehren die "Zersplitterung von Entscheidungsabläufen", die ein rasches Handeln behindern könne und zu mangelnder Konsistenz in den für Entscheidungen wichtigen Daten führe, kritisiert. Sie sei zwar eine Anhängerin des Föderalismus, betont die Präsidentin. "Eine einheitliche Vorgangsweise ist in Krisenzeiten aber unerlässlich."