Im Nationalrat beginnen heute die Beratungen über das Budget 2020 und die Zeichen stehen auf Sturm. Nicht so sehr – wie in früheren Jahren üblich – ideologischer Fragen über Schwerpunkte und Schulden wegen, sondern schon allein über die Diskussionsgrundlage.
Denn formell wird immer noch über jenes Budget beraten, das Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) Mitte März vorgelegt hat – und von dem schon damals klar war, dass es in jenem Moment Angesichts milliardenschwerer Hilfspakete Makulatur war. „Dieses Budget ist eine Momentaufnahme“, hatte Blümel bei dessen Präsentation erklärt; im Parlament sagte der Finanzminister angesichts der Präsentation, er hätte seine ursprüngliche Budgetrede „in den Mistkübel geschmissen, als klar war, dass wir in einer gänzlich anderen Welt leben werden, als wir sie uns noch vor ein paar Wochen vorgestellt haben.“
Deswegen geht die Opposition jetzt auf die Barrikaden – und fordert aktuelle Zahlen und Pläne von Blümel. In einer – seltenen – gemeinsamen Aussendung fragen die Budgetsprecher von SPÖ, FPÖ und Neos, Kai Jan Krainer, Hubert Fuchs und Karin Doppelbauer, wieso sie „eine Woche lang Ausschussberatungen und danach drei Tage Beratungen im Plenum machen sollen über Gesetzesvorlagen, die für den Finanzminister selbst nur noch den Wert von Altpapier haben“. „Es ist für das Parlament nicht hinzunehmen, dass der Finanzminister wissentlich falsche Zahlen vorlegt und einen Blankoscheck verlangt“, sagt Krainer – die Opposition fordert eine Überarbeitung des Entwurfs und aktualisierte Zahlen, um zu wissen, was man eigentlich beschließen wolle.
Entwicklungen unabsehbar
Ursprünglich hatte die Regierung Einnahmen von 81,8 und Ausgaben von 82,4 Mrd. Euro vorgesehen. Beide Werte werden allerdings nicht halten: Auf der Ausgabenseite rechnet die Regierung zur Zeit mit einer Budgetüberschreitung von bis zu 28 Milliarden Euro.
Und auch auf der Einnahmenseite droht ein deutliches Minus: der Finanzministerium hat den Ländern schon einen Rückgang ihrer Steueranteile um 7,3 Prozent angekündigt. In Summe rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut nun mit einem Defizit von 7,5 Prozent der Wirtschaftsleistung statt des ursprünglich erwarteten gesamtstaatlichen Minus von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Blümel wird seinen Entwurf vorläufig nicht nachbessern –mit Verweis auf die Unabsehbarkeit der Entwicklungen. Allerding wird die „Überschreitungsermächtigung“ – also das Geld, das die Regierung zur Bekämpfung der Corona-Krise in die Hand nehmen kann, etwa für Maßnahmen wie die gestern angekündigte Fixkostenförderung – von ursprünglich vier auf 28 Mrd. Euro aufgestockt.
Gut möglich also, dass dieses Jahr wesentlich mehr darüber diskutiert wird, was sein könnte, als was sein wird. Im öffentlichen Budgetausschuss ab 10 Uhr – er wird live auf der Parlamentshomepage übertragen – kommen auch Experten zu Wort. Zum Hearing eingeladen sind heuer IHS-Chef Martin Kocher und Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller-Altzinger (nominiert von der ÖVP bzw. den Grünen), Markus Marterbauer von der Arbeiterkammer (SPÖ), Martin Gundinger vom wirtschaftsliberalen Austrian Economics Center (FPÖ) und Tobias Thomas vom Institut Eco-Austria (Neos).
Georg Renner