Haben Sie auf Ihrem Handy die Corona-App installiert?
BIRGIT HEBEIN: Nein, ich warte noch auf das Urteil der Datenschutzkommission. Als freiwillige, ergänzende Maßnahme finde ich die App aber gut.
Wie viel Freiwilligkeit verträgt die Pandemie?
Die Maßnahmen waren rigoros und einschneidend, aber die sinkenden Zahlen zeigen, dass sie richtig waren. Es beeindruckt mich sehr, wie groß der Zusammenhalt ist und wie sehr sich auch hier in der Großstadt die Menschen an die Maßnahmen halten.
Bilder von Menschenmassen aus Wien haben zuletzt jenseits der Stadtgrenze für Ärger gesorgt.
Ich verstehe, dass es die Leute raus zieht. Das ist das erste Gefühl von Freiheit seit Wochen. Gerade deshalb ist es so wichtig, in der Großstadt Platz zu schaffen. Wir haben temporäre Begegnungszonen eingerichtet, und sind mit einem Raumprogramm in Offensive: Wir kühlen Straßenzüge ab, bauen Radwege - auch um den öffentlichen Verkehr zu entlasten.
Wenn es in den Öffis wieder voller wird, werden wieder mehr Menschen ins Auto steigen.
Wir müssen alles tun, damit es nicht zu einem „Backlash“ beim Autoverkehr kommt. Nie war so deutlich, wie ungleich verteilt der öffentliche Raum ist. In der Großstadt werden 67 Prozent von Autos blockiert. Hier braucht es ein Umdenken. Da gibt es kein Zurück mehr in eine autogerechte Stadt. Die Coronakrise zeigt auch, wie wichtig die unmittelbare Umgebung ist. Ich will eine Stadt der kurzen Wege, in der die Menschen innerhalb von 15 Minuten ihre Bedürfnisse decken können.
Sollen die neuen Begegnungszonen, wenn es nach Ihnen geht, dauerhaft bleiben?
Nein, das war eine rasche, temporäre Maßnahme, um Platz zu schaffen, damit die Leute zum Luftschnappen raus können. Nicht jeder hat nicht das Glück in der Nähe eines Parks zu wohnen und ein Drittel der Gehsteige in Wien sind unter zwei Meter. Jetzt kommt der nächste Schritt, weitere Straßen öffnen, Radwege ausbauen, Raum zu schaffen. Der nächste Schritt ist dann, den Weg aus der Krise zu finden und gleichzeitig die Klimakrise zu bewältigen.
Die Arbeitslosigkeit ist in Wien um 40 Prozent gestiegen, die Kulturlandschaft liegt am Boden. Wie soll Wien wieder auf die Beine kommen?
Die Stadt muss jetzt investieren, und zwar so, dass viele nachhaltige Jobs entstehen, um die Arbeitslosigkeit und die Klimakrise gleichzeitig zu bekämpfen. Das heißt: Investieren in die lokale Wirtschaft, in die soziale Infrastruktur, in Öffis, Radwege und Fußgängerzonen. Wir wissen, dass jede investierte Milliarde in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs um zwei Drittel mehr Jobs schafft, als das Bauen von Autobahnen. Auch die dritte Piste am Flughafen ist angesichts der Situation eine Fehlinvestition. Wir können den Ausstieg aus Gas beschleunigen und Photovoltaik-Anlagen bauen. Dafür werden wir viel Unterstützung des Bundes brauchen.
Woher soll das Geld für die Investitionen kommen? Die geforderte Vermögenssteuer hat Werner Kogler ja verschoben.
Auf den Finanzmärkten sind Kredite gerade ausgesprochen günstig. Es ist richtig, jetzt Hilfspakete zu schnüren und Jobs zu schaffen. Werner Kogler hat auch klargestellt, dass wir dann, wenn sich die Frage der Refinanzierung stellt, Vermögende nicht außen vor lassen werden. Solidarbeiträge von Millionären wird es selbstverständlich geben müssen, besser früher als später.
Sind die Grünen in der Bundesregierung zu zahm?
Wir stecken mitten in der größten Krise der letzten Jahrzehnte, und es ist wichtig, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert. Aber natürlich gab es auch schmerzhafte Entscheidungen. Dass Österreich Kinder, die auf den griechischen Inseln unter menschenunwürdigen Umständen leben, nicht aus den Flüchtlingslagern holt, kann ich nicht nachvollziehen.
Warum schließen Sie in Wien eine Koalition mit der ÖVP aus?
Auf die Frage, ob ich Ambitionen habe, mit Türkis zu koalieren, habe ich Nein geantwortet. Wir arbeiten mit der SPÖ in Wien gut zusammen, warum sollte ich das ändern? Jetzt ist nicht die Zeit für Wahlkampfgeplänkel.
Veronika Dolna