Am 11. Oktober soll in Wien gewählt werden. Unter welchen Umständen der Urnengang ablaufen wird, ist jetzt noch nicht absehbar. Angesichts der Corona-Pandemie und ihren Folgen lässt sich hingegen schon erahnen, welche Inhalte dominieren werden. Ganz sicher wird sich die Form des Wahlkampfs verändern, solange größere Versammlungen nur eingeschränkt erlaubt sind.
“Der digitale Raum wird eine noch wesentlich wichtigere Rolle spielen als bisher”, prophezeite ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitschzuletzt im Wien.memo. Die letzten Wochen gaben schon einen Vorgeschmack darauf. So ließ es sich die Wiener SPÖ 11.358 Euro kosten, um zwischen 24. und 30. April ihren virtuellen 1. Mai über soziale Medien unters Volk zu bringen. Beiträge keiner anderen österreichischen Facebook-Page wurden in diesem Zeitraum mit einer vergleichbar hohen Summe gesponsert.
Betrachtet man die Ausgaben über einen längeren Zeitraum, zeigt sich, dass eine andere Partei noch stärker um digitale Aufmerksamkeit buhlt: die Wiener FPÖ. Sie pusht aber nicht wie die SPÖ die Kanäle der Partei, sondern jene ihres Spitzenkandidaten. So flossen von 1. Februar bis 30. April insgesamt 41.018 Euro in Facebook- und Instagram-Werbeeinschaltungen von Dominik Nepp. Auch diese Ausgaben bedeuten Platz 1 in den österreichischen Facebook-Werbecharts. Auf Michael Ludwigs Social-Media-Präsenzen entfielen im selben Zeitraum nur 3.281 Euro.
“Das überrascht mich. Normalerweise wird immer auf die Spitzenkandidaten hingearbeitet, deren Seiten für gewöhnlich auch deutlich besser performen”, sagt Social-Media-Experte Roland Puck, der unter anderem für den ORF im letzten Nationalratswahlkampf die Social-Media-Kanäle der Parteien analysiert hat. Vermutlich hält sich die finanzielle Unterstützung von Michael Ludwigs Social-Media-Kanälen auch deshalb noch in Grenzen, weil sich der Wiener Bürgermeister derzeit ohnehin nicht über zu geringe mediale Aufmerksamkeit beschweren kann. Da tut sich die FPÖ mit Nepp im Moment schwerer, zur Geltung zu kommen. “Aber mal schauen, was da noch kommt. Der Wahlkampf befindet sich im Vorlauf, das zeigen auch die Interaktionen. Da werden Ausgaben noch zurückgehalten”, glaubt Puck.
Dass Social-Media-Werbung eine entscheidende Rolle in Wahlkämpfen spielen kann, habe die Vergangenheit bereits gezeigt. “Besonders im Bundespräsidentenwahlkampf 2016. Bei Interaktionen lagen bei beide Kandidaten gleichauf, dann kam das Video von Frau Gertrude und Van der Bellen zog davon – auch in den Umfragen und schließlich im Wahlergebnis. Das ist natürlich nicht wissenschaftlich belegt, aber soziale Medien können einen großen Einfluss haben", so Puck.
Viel Geld für Social-Media-Werbung bedeutet aber nicht automatisch einen großen Wähler*innen-Zulauf. Das musste die Bundes-SPÖ vergangenen September feststellen. 280.800 Euro steckte sie in den letzten drei Monaten bis zur Nationalratswahl in die Kanäle von Pamela Rendi-Wagner, deren Postings dadurch 2,2 Millionen Interaktionen generieren konnten – bei keiner anderen Kandidatin und keinem anderen Kandidaten waren es mehr. Am Wahlabend blieb der rote Jubel aber bekanntlich aus.
Nur Facebook hat immer etwas vom fleißigen Inserieren, wie sich auch während der Corona-Krise zeigt. Im Vergleich zum Vorjahr hat der Tech-Gigant seinen weltweiten Umsatz im ersten Quartal 2020 noch einmal auf unglaubliche 17,74 Milliarden US-Dollar steigern können. Nur 297 Millionen davon erwirtschaftete die Firma übrigens nicht mit Werbung.
Andreas Terler