1. Wie viele Milizsoldaten rücken heute ein?
Insgesamt werden österreichweit rund 2300 Soldaten einberufen, das Schlüsselpersonal (ca. 160 Personen) wurde schon letzte Woche in den Einsatz geholt. 428 Einberufungsbefehle gingen an Männer und eine Frau in der Steiermark, 120 nach Kärnten. Die tatsächliche Zahl der Soldaten wird erst nach den medizinischen Einstellungsuntersuchungen feststehen. Ihr eigentlicher Einsatz beginnt dann in zwei Wochen.
2. Besteht bei so vielen Soldaten nicht ein höheres Ansteckungsrisiko?
Um das zu verhindern, werden alle einrückenden Milizsoldaten auf Covid-19 getestet. Ebenso die rund 1500 Rekruten, die heute ihren Wehrdienst antreten. Zwei zivile Labore sind mit der Auswertung der Proben beauftragt, die Ergebnisse sollen spätestens 36 Stunden später vorliegen. Bis dahin müssen die beim Heer geltenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden.
3. Welche Aufgaben haben die Soldaten?
Ein Großteil wird die derzeit im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz „Migration“ an den Staatsgrenzen im Burgenland, in der Steiermark, Kärnten und Tirol stehenden Truppen ablösen. Dort und in weiteren Bundesländern unterstützen sie die Behörden auch beim Ein- und Ausreisemanagement (Temperaturmessungen). Ein kleiner Teil wird Botschaften in Wien bewachen oder, wie in Graz, bei den Spitalseingängen Temperaturmessungen durchführen.
4. Warum beginnt der Milizeinsatz erst jetzt, wo sich die Situation wieder entspannt?
Diese Frage wird derzeit heftig diskutiert, auch heeresintern. Als die Regierung die Teilmobilmachung der Miliz am 18. März beschloss, breitete sich das Coronavirus noch rasant in Österreich aus, die Prognosen waren düster. Da mit einem monatelangen Assistenzeinsatz des Bundesheers zu rechnen war, musste die Regierung die Durchhaltefähigkeit der Truppen sicherstellen. Aus diesem Grund wurde der Präsenzdienst von 2300 Rekruten um zwei Monate verlängert und die Aufbietung von bis zu 3000 Milizsoldaten beschlossen.
5. Warum braucht man nun aber immer noch so viele Soldaten?
Die Zahl wurde schon reduziert, indem Befreiungsanträgen großzügig stattgegeben wurde. Da wollte man vor allem kleinen Betrieben nicht Arbeitskräfte rauben. Offiziell argumentiert das Heer den Bedarf damit, dass derzeit mehr als 3000 Soldaten im Inlandseinsatz stehen – so viele waren es zuletzt beim Hochwasser 2002. Vor allem jene in der Grenzüberwachung sind teils schon seit Weihnachten im Einsatz und müssten abgelöst werden. Auch für die „verlängerten“ Grundwehrdiener brauche es Ersatz. Gleichzeitig muss der Regelbetrieb aufrechterhalten, Auslandseinsätze bestritten und vorbereitet, Rekruten und Kadersoldaten ausgebildet werden. Die Militärkommandanten der Bundesländer müssen nun die unter ihrer Führung stehenden 13 Jägerkompanien der Miliz auch entsprechend mit Aufträgen versorgen.
6. Wie sieht es mit der Motivation der Soldaten aus?
Grundsätzlich sind die Milizsoldaten hoch motiviert, weil sie das Gelernte und Geübte anwenden wollen. Unter bereits im Covid-Einsatz stehenden Soldaten (Kader, Rekruten und Milizteile) macht sich aber auch Unmut breit, wie aus einem der Kleinen Zeitung vorliegenden „Beschwerdebrief“ an die Regierung hervorgeht. Darin beklagen Angehörige einer in Vorarlberg stationierten steirischen Einheit (anonym) neben mangelhafter Ausrüstung vor allem fehlende Befugnisse. Trotz umfassender Ausbildung dürften sie auch unter Polizeiaufsicht keine Fahrzeuge und Personen kontrollieren. „Das bestärkt in der Truppe das Gefühl, dass wir in der Bevölkerung statt Sicherheit vielmehr Hilflosigkeit vermitteln“, heißt es wörtlich. Sobald Soldaten über den Sinn ihres Einsatzes zu zweifeln beginnen, ist auch bald die Motivation dahin.
7. Wie gut wird der Milizeinsatz bezahlt?
Die Höhe seiner Besoldung im Einsatzpräsenzdienst bekam jeder Milizsoldat mit dem Einberufungsbefehl mitgeteilt. Sie hängt vom Dienstgrad ab, ein Wachtmeister etwa bekommt rund 1800 Euro netto monatlich. Falls der Einkommensentgang im Zivilberuf nicht abgedeckt ist, kann der Soldat eine Entschädigung bis zur Höhe der Differenz beantragen. Hunderte Milizsoldaten, die sich im Zuge einer „freiwilligen Waffenübung“ zum Grenzeinsatz gemeldet haben, bekommen um fast 1000 Euro mehr. Auch das sorgt für Missgunst.
8. Welche Rolle spielt die Miliz innerhalb unserer Armee?
Nach der Bundesverfassung und dem Wehrgesetz ist das Bundesheer eigentlich nach einem Milizsystem auszurichten. Man unterscheidet zwischen einer Friedens- und einer Einsatzorganisation: Das heißt, ein kleiner Kern von Berufssoldaten sorgt für den laufenden Betrieb sowie die Ausbildung von Rekruten und Kadernachwuchs. Präsenzkräfte können rasch in Einsätze geschickt werden. In einer Krise (und für Großübungen) kann die Armee aber schnell anwachsen, indem sie eine hohe Zahl an Milizsoldaten mobilmacht. Da diese nach ihrem Grundwehrdienst regelmäßig zu Übungen eingezogen wurden, sind sie stets einsatzbereit. So lautet zumindest das theoretische Konzept, das für die klassische militärische Landesverteidigung im Lichte des Ost-West-Konflikts ausgelegt war. Nach ihrer Neuausrichtung in den letzten Jahren wird die strukturierte Miliz (damit sind geschlossene Milizeinheiten gemeint) auf den Schutz von kritischer Infrastruktur in ihrer Heimatregion im Bedrohungsfall vorbereitet.
9. Wer kann die Mobilmachung der Miliz anordnen – und wie oft ist das schon passiert?
Die Verteidigungsministerin kann bis zu 5000 „Wehrpflichtige des Miliz- und Reservestandes zum Einsatzpräsenzdienst“ heranziehen, alles darüber hinaus obliegt dem Bundespräsidenten als Oberbefehlshaber. Laut der gültigen Sicherheitsstrategie von 2013 soll die Mobilmachungsstärke der Armee bis zu 55.000 Soldaten betragen, was im Ernstfall derzeit aber unrealistisch ist. Politisch war eine (Teil-)mobilmachung bisher immer eine zu hohe Hürde gewesen. Als 1991 der Krieg in Jugoslawien die österreichische Grenze erreichte, war eine die Aufbietung der Miliz militärisch bereits geplant. Die Regierung entschied sich dagegen.