Die Volkshilfe hat am Mittwoch anlässlich des Tags der Arbeitslosen am 30. April gezieltere Maßnahmen für die Menschen in Österreich gefordert, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise besser zu überstehen. "Wirtschaftsrettungsschirme ersetzen keine Menschenrettungsringe", sagte Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, bei der Vorstellung des Volkshilfe-Sozialbarometers.
Die Regierung mache viel, gestand Fenninger der Politik zu, genug sei es allerdings nicht. Man dürfe nicht nur Geld in die Wirtschaft pumpen, sondern müsse den einzelnen Menschen rasch Geld zukommen lassen, forderte der ausgebildete Sozialarbeiter im Rahmen einer Online-Pressekonferenz. Er möchte nicht Wirtschaft und Soziales gegeneinander ausspielen, betonte er, forderte aber eindeutig "mehr Menschenrettungsringe" in Form von Unterstützung für einzelne Menschen in Österreich.
Zwei Drittel für Mindestlohn
Als Grundlage für diese Forderungen sieht Fenninger eine aktuelle Studie zum Arbeitsmarkt, durchgeführt vom Sozialforschungsinstitut SORA. Für dieses Volkshilfe-Sozialbarometer wurden mehr als tausend Interviews durchgeführt, die Ergebnisse sind laut Fenninger "sehr interessant". So kam zum Beispiel heraus, dass die meisten Menschen in Österreich (59 Prozent) keine Kürzungen oder Sperren bei den wichtigsten sozialen Absicherungssystemen, wie dem Arbeitslosengeld oder der Notstandshilfe, wollen. Die am Dienstag im Parlament beschlossene Erhöhung der Notstandshilfe nannte Fenninger einen "wichtigen Schritt".
Weiters spricht sich eine starke Mehrheit von 87 Prozent der Menschen in Österreich für einen Mindestlohn von 1.750 Euro brutto für eine Vollzeitstelle aus, lautet ein weiteres Ergebnis der Befragung. Rund zwei Drittel (63 Prozent) stimmen dieser Forderung "sehr" zu. Lediglich elf Prozent sprechen sich dagegen aus. Der eingeführte 12-Stunden-Tag stößt in der Bevölkerung ebenfalls auf wenig Gegenliebe. Rund sechs von zehn Menschen sprechen sich dezidiert für seine Abschaffung aus.
70% für kürzere Arbeitszeit
Starke Zustimmung gab es in der Umfrage auch für folgende Aussage: "Angesichts der hohen Belastungen ist eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden im Sozialbereich sinnvoll". Hier stimmten sieben von zehn Befragten zu, für Fenninger eine "sehr, sehr hohe Zahl". Er habe sich schon bei den Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft dafür eingesetzt, berichtete Fenninger. "Wir sind am Weg, aber wahrscheinlich noch nicht am Ziel", kündigte er weitere erforderliche Anstrengungen in diesem Bereich an. Das Ergebnis des Sozialbarometers ist für ihn jedenfalls ein Indiz dafür, "dass Sparpolitik bei den Menschen nicht angebracht ist", vor allem in der Gesundheits-, Sozial- und Pflegebranche.
Das lässt sich auch an einem weiteren Ergebnis ablesen, denn 87 Prozent der Befragten stimmen zu, dass die Coronakrise gezeigt habe, dass eine bessere Entlohnung von systemrelevanten Gesundheits- und Sozialdienstleistungen dringend notwendig ist. Für diese Frage wurden zwar wegen Zeitknappheit nur 626 Personen befragt, trotzdem sieht Fenninger eine klare Tendenz in der Antwort. "Wir sehen hier in der Krise, wie wichtig diese Branche ist", sagte er am Mittwoch und bat auch darum, in der Pflege-Debatte neben der 24-Stunden-Betreuung und der stationären Pflege nicht auf die mobilen Dienste zu vergessen, die sich genauso einem großen Risiko aussetzen würden.
Mehr Tun gegen Arbeitslosigkeit
Die Volkshilfe fordert aufgrund der Sozialbarometer-Ergebnisse eine Neubewertung der Arbeit in der Gesundheits-, Sozial- und Pflegebranche und eine bessere Finanzierung. Weiters brauche es laut Fenninger eine entschlossenere Vorgehensweise bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Für notwendig erachtet er einen sozialen Krisenstab, der sich um die soziale Absicherung der Menschen kümmert. Darin wiederfinden sollten sich etwa die Themen Pflege und Betreuung oder der Behindertenbereich, so der Volkshilfe-Chef.
Die Coronakrise wirke bei Missständen "wie eine Lupe", so Fenninger - sie vertiefe und vergrößere bestehende Probleme. Grundsätzlich sei er aber zuversichtlich, denn Österreich sei ein Land, das Krisen meistern könne, sagte er. Gerechtigkeit und faire Bezahlung würden aber nicht von alleine kommen, sondern nur, wenn sich die Bürger dafür engagieren.