Es ist nicht leicht, in Zeiten einer Krise Opposition zu sein: Wie im weltweiten Trend sammeln auch in Österreich die Regierungsparteien Sympathien – die Grünen liegen in Umfragen gleichauf mit der SPÖ, die ÖVP kratzt an der absoluten Mehrheit: der „rally around the flag“-Effekt.
Es liege in der Natur der Sache, dass die Opposition in Zeiten von Notmaßnahmen in eine reaktive Rolle gedrängt sei, sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier: „Schon aus Platzgründen kommt man mit seinen Themen kaum mehr medial vor“, wenn die Regierung täglich neue Maßnahmen ankündigt – und das übliche Spiel „ich fordere, ohne erklären zu müssen, wie man das finanzieren kann“ funktioniere in dieser Lage auch nicht, so Filzmaier.
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Also bleiben für SPÖ, FPÖ und Neos im Wesentlichen im Moment nur zwei Nischen zu füllen – beide waren in einer zeitweise sehr emotionalen Nationalratssitzung am Mittwoch zu beobachten.
Erstens: Kontrolle und Kritik der Regierungsmaßnahmen. Gemeinsam haben die Oppositionsparteien gestern die Einrichtung eines eigenen Corona-Ausschusses gefordert, der die Regierungsmaßnahmen – und besonders die Verteilung milliardenschwerer Förderpakete –laufend prüfen soll. „Bei den Einschränkungen der persönlichen Freiheit muss das Parlament eingebunden sein und alle Fakten auf den Tisch bekommen“, sagt Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.
Die Chancen stehen gut, dass ein solcher Ausschuss kommt – auch wenn die Klubs von ÖVP und Grünen noch nicht entschieden haben, ob sie mitstimmen, wird hinter den Kulissen erwogen, ob sie ihre Zustimmung mit anderen Gesetzesvorlagen verknüpfen.
Auch die SPÖ drängt auf einen Plan für den Weg aus der Krise: Es dürfe nicht Monate oder Jahre per Verordnung regiert werden, so Parteichefin Pamela Rendi-Wagner.
Alternativ bleibe der Opposition, sich schon jetzt für die Zeit nach der Krise aufzustellen, sagt Filzmaier: „Früher konnte die FPÖ bei den sogenannten Modernisierungsverlierern punkten, jetzt könnte sie die Stimmen der ,Corona-Verlierer’ aufsammeln“ – Menschen, die unter den wirtschaftlichen Folgen der Einschränkungen leiden werden.
In diese Kerbe schlägt bereits jetzt etwa der blaue Klubobmann Herbert Kickl: Er geißelt die Regierung für ein „Schüren von Angst“, um in Bundeskanzler Sebastian Kurz’ „neue Normalität“ zu kommen. Dabei zeige etwa das Beispiel Schwedens, dass es auch andere Wege gebe, die ohne dramatische Einschränkungen auskäme, findet Kickl.
Georg Renner