Je länger die Krise dauert, desto mehr wächst innerhalb der Regierung der Wunsch nach Kontrolle. Der Erfolg von Südkorea und China bei der Bekämpfung des neuartigen Coronavirus wird zu einem wesentlichen Teil mit den dort angewandten Überwachungsmethoden erklärt. Die Behörden wissen dort genau, wer sich wo befindet und wer mit wem Kontakt hat.
Eine deutliche Abfuhr hat indes die Opposition dem Einsatz von Big Data, also der Erfassung und Auswertung von personalisierten Handydaten der Bevölkerung, erteilt. Entsprechende Überlegungen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lehnt die FPÖ kategorisch ab, SPÖ und NEOS sehen diese äußerst kritisch. Vor allem fordern sie eine offene Debatte und die Anhörung von Fachleuten.
Was die Regierung in weiterer Folge plant, liegt noch im Dunklen. Ein erster Schritt in Richtung Big Data ist eine Initiative des Roten Kreuzes. Die neue Stopp Corona-App will dazu beitragen, die Infektionskette der Corona-Infektionen schnellstmöglich zu unterbrechen. Dazu dient als Kernstück ein Kontakt-Tagebuch, indem persönliche Begegnungen mittels "digitalem Handshake" anonymisiert gespeichert werden. Treten bei einer Person dann Symptome einer Corona-Erkrankung auf, wird man als Kontakt automatisch benachrichtigt und gebeten, sich selbst zu isolieren.
Stellt ein Arzt eine Corona-Infektion fest, kann der User einfach eine Meldung über die App abgeben, um seine Kontakte der letzten Begegnungen anonymisiert zu benachrichtigen.
- Die informierten Kontakte erhalten die Benachrichtigung, dass es einen bestätigten Corona-Fall bei einer ihrer Begegnungen gibt.
- Anschließend werden User aufgefordert Zuhause zu bleiben und beim Einsetzen von Symptomen die Hausärztin oder den Hausarzt telefonisch zu kontaktieren.
- Bei einer Erkrankung bekommen alle in der Kontaktkette eine anonymisierte Meldung. Personenbezogene Daten zur Person, die erkrankt ist, werden nicht weitergegeben.
Zur Nutzung der App müssen keine personenbezogenen Daten angegeben werden. Die Kontakte der User werden lediglich auf deren Endgerät gespeichert. Sie sind dem Roten Kreuz nicht zugänglich und es können keine Rückschlüsse auf Begegnungen gezogen werden. Meldet sich jemand als erkrankt fragt das Rote Kreuz nach der Handynummer und senden eine TAN als Bestätigung.
Experten sehen die App als vorbildlich, was den Datenschutz angeht - bis auf zwei Funktionen.
Datenschützer beobachten
Die Vorsitzende des EU-Datenschutzausschusses und Leiterin der österreichischen Datenschutzbehörde, Andrea Jelinek, sieht die Verantwortung für Anti-Corona-Apps hauptsächlich in nationaler Zuständigkeit. International wäre ein Überblick über die nationalen Maßnahmen "schlicht nicht möglich, denn in allen Mitgliedstaaten wird an etwas gearbeitet", sagte die Datenschutzbeauftragte. "Wenn es ausschließlich um die Verbreitungsmuster des Virus geht, sehe ich kein Problem. Aber wenn diese Daten individuell zuordenbar sind, dann sehr wohl", so Jelinek.
"Allerdings ist es nicht so, dass da jemand allein im stillen Kämmerlein über Nacht eine App programmiert. Das erfordert Erfahrung. Zudem ist bei diesen privaten Apps stets eine Datenschutz-Folgenabschätzung zu machen und eine Einwilligungserklärung des Users zur Nutzung der App einzuholen."
Claudia Gigler