Wie viele Soldaten hat das Bundesheer derzeit insgesamt in der Corona-Krise eingesetzt und wieviele kann man noch aufbieten?
KLAUDIA TANNER:
Wir haben derzeit 3200 Soldatinnen insgesamt im In- und Ausland im Einsatz. Trotz Zeiten von Corona läuft unser bisheriges Engagement weiter. Der Corona-Einsatz ist ein sehr heterogenes Aufgabenfeld. Da leisten wir etwa in Tirol und in Kärnten die Unterstützung im Reisemanagement, wir haben im Raum Imst und in Salzburg je eine Jägerkompanie im Einsatz, die auch bei sicherheitspolizeilichen Aufgaben unterstützt. In der Steiermark unterstützen wir die Gesundheitsbehörden an den Grenzübergängen und beim Klinikum Graz. Neu dazugekommen ist die Unterstützung im Logistikzentrum der Post, weiter Aufrecht ist die Unterstützung der Hotlines des Außenministeriums, der Ages und der Landeswarnzentrale Vorarlberg. Seit Freitag bewachen wir auch die Botschaften in Wien und wir unterstützen das Außenministerium bei der Rückholung von Österreichern aus dem Ausland.

Es fällt auf, dass Einheiten auch über große Distanzen verlegt werden. Extremfall: Soldaten aus dem südsteirischen Straß in Vorarlberg. Welche Logik steckt dahinter?
Grundsätzlich muss man sagen, wir sind ein österreichisches Bundesheer. Unsere Einsätze laufen strukturiert ab, werden so geplant und durchgeführt. Da kann man sich auf unsere Einsatzorganisation verlassen, dass sie sich dabei etwas denkt.

Steirische Soldaten bei Grenzkontrollen in Salzburg
Steirische Soldaten bei Grenzkontrollen in Salzburg © Bundesheer/Wolfgang Riedlsperger

Welche Aufgaben haben die Soldaten konkret in der sicherheitspolizeilichen Assistenz?
Wir sind immer auf Anforderung der Polizei oder der Gesundheitsbehörden da. Wenn man das Beispiel Tirol hernimmt, da gibt es viele Pendler nach Deutschland, die kontrolliert werden müssen. Die Soldaten unterstützen auch bei Fiebermessungen.

Bekommen diese Soldaten die Befugnisse der Polizei?
Das betrifft jene, die in der Bewachung der Botschaften eingesetzt sind. Bei allen anderen gilt, dass sie in Assistenz tätig sind.

Gibt es auch Pläne, Soldaten bei den Kontrollen von Ausgangsbeschränkungen einzusetzen?
Nach dem Gesetz gibt es da ganz klare Trennungen. Wir haben bis jetzt keine konkrete Anforderung dazu, auch keine für gemeinsame Streifen oder Ähnliches. Unsere Einsätze sind ganz klar strukturiert, wenngleich das Aufgabenfeld wie gesagt sehr heterogen ist.

Wie sieht es mit der Versorgung mit Schutzmasken und -anzügen für die eingesetzten Soldaten aus? Ist diese gesichert?
Selbstverständlich haben wir dafür zu sorgen, dass die Sicherheit für die Soldatinnen und Soldaten gegeben ist, das kommt auf den jeweiligen Einsatz an. Auch in der Einsatzvorbereitung wird auf diesen Eigenschutz besonders geachtet. Darüber hinaus haben wir den Auftrag, in der Logistik bei der Verteilung der Schutzausrüstung mitzuwirken. Unser Generalsekretär Dieter Kandlhofer hat ja für die erste Luftbrücke nach China gesorgt, diese Schiene soll jetzt ja weiter offen bleiben.

Erstmals in der Geschichte wird die Miliz teilmobilgemacht. Das war weder in der Jugoslawienkrise 1991 noch in der Migrationskrise 2015/16 der Fall. Lässt sich daraus ableiten, dass die aktuelle Situation für das Bundesheer noch fordernder ist als alles bisher Dagewesene?
Es ist sicher eine Situation, die es seit dem Zweiten Weltkrieg so noch nicht gegeben hat. Ich zitiere den Chef unseres Generalstabs, Robert Brieger. Er sagte, es hätte schon in diesen angesprochenen Fällen das eine oder andere Mal die Notwendigkeit gegeben Grundwehrdiener zu verlängern oder die Miliz aufzubieten, das wurde nicht gemacht. Jetzt machen wir beides. Was die Miliz betrifft: Da werden ab dem 10. April die Einberufungsbefehle zugestellt und am 4. Mai soll  dann einberufen werden. Dann ist eine zweiwöchige Ausbildung notwendig, weil es insbesondere um sicherheitspolizeiliche Fertigkeiten geht.

Diese Einberufung bedeutet einen hohen Aufwand, auch deshalb, weil man darauf achten muss, keine Leute aus systemrelevanten Bereichen abzuziehen.
Es ist ganz wichtig, auf keinem Fall jemand aus diesen kritischen Bereichen herauszuziehen, insbesonders, was die Gesundheitsversorgung anbelangt. Daher auch die Entscheidung, dass wir nur Kompanien und keine Bataillone aufbieten.

Viele Milizsoldaten gehören nicht der strukturierten Miliz an, sind aber hochmotiviert und wollen mithelfen. Können sie das?
Alle Freiwilligen können gern beim Team Österreich mitmachen. Bei uns muss man bei der Miliz sein und hat einzurücken, sobald man den Einberufungsbefehl erhalten hat. Alle, die sonst teilnehmen wollen, können sich aber gern bei uns melden, sofern sie Milizsoldaten sind.

Die Auslandseinsätze müssen wegen internationaler Verpflichtungen weitergeführt werden. Wie sieht es aber mit der EU-Battlegroup aus? Dafür stellt das Bundesheer im zweiten Halbjahr rund 600 Soldaten ab. Fallen diese für den aktuellen Einsatz aus?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Plan, dass wir alles beibehalten. Das ist ja auch der Grund, warum wir diese beiden so noch nie erfolgten Maßnahmen getroffen haben mit dem Aufschub des Präsenzdienstes und mit der Aufbietung der Miliz.

Wird das Bundesheer jetzt an die Grenzen seiner Einsatzbereitschaft herangeführt oder auch schon darüber hinaus?
Man sieht, dass wir sehr gefordert sind und wir haben gezeigt und zeigen weiterhin, dass das Heer in Krisen absolut einsatzfähig ist. Da gilt es, ein ganz großes Dankeschön an alle zu sagen. Das Bundesheer ist ohne Zweifel unverzichtbar. Es zeigt jeden Tag, dass es die strategische Reserve der Republik in allen Bereichen ist.

Die rund 2000 Grundwehrdiener, die verlängern, bekommen eine Anerkennungsprämie von monatlich 190 Euro. Die FPÖ fordert jetzt eine Anhebung bis zur Höhe der Mindestsicherung. Ist das für Sie ein Thema?
Uns war ganz wichtig, dass diese Grundwehrdiener mit den Zivildienern gleichgestellt werden. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man nicht in Zeiten der Krise wen auch immer gegeneinander ausspielt. Der Beitrag unserer Grundwehrdiener ist unverzichtbar und auch unbezahlbar und dafür ein ganz großes Dankeschön an alle.

Die bisherigen Budgetplanungen sind ja durch die Krise obsolet geworden. Wird das Bundesheer in dieser Situation eine kurzfristige Mittelaufstockung bekommen um die absehbaren Mehrkosten abdecken zu können?
Wer zu diesem Zeitpunkt in der größten Krise Budgetzahlen hinterfragt, lebt auf dem falschen Planeten. Gehen Sie davon aus, dass dies jedenfalls unter dem Bereich Schutz und Hilfe gesichert sein wird und wir unsere Aufgaben erfüllen. Mir ist es jetzt wichtiger, dass nicht über Zahlen gesprochen wird, sondern den Dank an alle Soldatinnen und Soldaten, Grundwehrdiener und die nicht Uniform tragenden Zivilbediensteten zu richten, die von Montag bis Sonntag rund um die Uhr wirklich ihr Bestes geben.

Irgendwann wird die Krise hoffentlich vorbei sein. Glauben Sie, dass es in der Gesellschaft und in der Politik langfristig ein Umdenken gibt, dass man auch in ruhigen Zeiten entsprechende Reserven für alle Fälle bereithält. Das Beispiel der wegreformierten Militärspitäler zeigt ja, welche Folgen das haben kann.
Den Blick in die Vergangenheit zu richten kann man machen. Oder man bleibt in der Gegenwart, wo man sieht, dass unser Bundesheer in den verschiedensten Bereichen unverzichtbar ist. Das sieht man in diesen Krisenzeiten ganz besonders.

Ministerin Tanner mit einem Militärpolizisten vor der französischen Botschaft
Ministerin Tanner mit einem Militärpolizisten vor der französischen Botschaft © APA/BUNDESHEER/DANIEL TRIPPOLT



Ich will den Blick schon die Zukunft richten. Glauben Sie, dass ein Umdenken stattfindet?
Meine Aufgabe ist nicht zu glauben, was in der Zukunft sein könnte, Hellseherin bin ich auch keine. Ich bin überzeugt davon, dass gerade in dieser Situation der Krise die Gesellschaft sieht, wie notwendig das Bundesheer auch in dieser Form mit seiner Wehrpflicht ist, wie es die Österreicherinnen und Österreicher 2013 ganz eindeutig wollten.

Ist im Verteidigungsministerium jetzt alles dem laufenden Einsatz ungegeordnet und liegen andere Planungen vorläufig auf Eis?
Ich bin sehr stolz darauf, dass unsere Leute neben dem, was jetzt zusätzlich zu bewältigen ist, auch diese Pakete in den einzelne Stäben abarbeiten. Egal, ob es um Beschaffungsvorgänge geht, die künftige Luftraumüberwachung oder auch die Neuordnung dessen, wie man die Einsatzwahrscheinlichkeiten sieht. Das ist ein unglaublicher Kraftaufwand, der hier betrieben wird.