Der Nationalrat hat die neuen "Covid-19"-Gesetze der Regierung für die Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus einstimmig angenommen. Im Rekordtempo wurde im Parlament diskutiert und abgestimmt, damit Maßnahmen wie Versammlungsverbote und die Schließung von Lokalen um Schlag Mitternacht in Kraft treten können. Die Abstimmung erfolgte besonders eilig, um die Zeit, in der die Abgeordneten alle gemeinsam im Saal sind, möglichst kurz zu halten. Beschlüsse wie diese würden unter normalen Umständen Wochen, wenn nicht Monate dauern.

Die Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Klaudia Tanner verkündeten um 15 Uhr die Details des außordentlichen Zivildienstes.

  • Aktuell im Dienst befindliche Grundwehrdiener rüsten nach sechs Monaten nicht ab, sondern ihr Dienst verlängert sich.
  • Die Einberufung zusätzlicher Milizsoldaten wird geprüft.
  • Der Dienst aktuell im Dienst befindlicher Zivildiener verlängert sich ebenfalls. Sie können von ihren derzeitigen Dienststellen an Stellen, wo sie nötiger gebraucht werden, versetzt werden.
  • Frühere Zivildiener werden gebeten, sich freiwillig zu einem außerordentlichen Zivildienst zu melden. Die Meldung soll über die Homepage der Zivildienstserviceagentur bzw. E-Mail erfolgen.
  • Falls sich nicht genügend melden, können Zivildiener der letzten fünf Jahre, die in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Rettungsdienste, Pflege tätig waren, zu einem außerordentlichen Zivildienst verpflichtet werden. In einem ersten Schritt sind diese in besonderem Maße gebeten, sich freiwillig zu melden.
  • Der Zivildienst von Maturanten, die derzeit keine Prüfungen haben, kann vorgezogen werden.

Am Nachmittag wird der Bundesrat die Gesetzesvorlage behandeln und beschließen. Danach fehlt nur noch die Unterfertigung des Bundespräsidenten sowie die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, um die Vorhaben bereits am Montag umsetzen zu können.

Der Nationalrat tritt kommende Woche zu zwei Plenartagen zusammen, es wird aber weder eine Budgetrede noch eine Budgetdebatte stattfinden. Das hat Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Sonntag nach der Präsidiale bekanntgegeben. Das Budget wird lediglich eingebracht und dem Budgetausschuss zugewiesen, dort aber erst nach Ostern behandelt.

Tirol erlässt Ausgangssperre

Während der Nationalrat tagt, hat sich Tirols Landeshauptmann Günther Platter mit einer Ansprache an die Menschen gewandt. Er erlässt für das Bundesland eine Ausgangssperre. Die Menschen sollen ihre Häuser nur mehr verlassen dürfen, wenn sie zur Arbeit müssen, einkaufen gehen oder um anderen zu helfen. Die Maßnahme tritt mit Aushang der Verordnung noch am Sonntag in Kraft, erklärte Platter in der Erklärung, die im ORF sowie auf der Facebook-Seite des Landes übertragen wurde.

Die "Verkehrsbeschränkung" aller Personen, die sich in Tirol aufhalten, gelte vorerst für eine Woche, so der Landeshauptmann. "Ohne einen triftigen Grund darf niemand seine Wohnung verlassen", betonte Platter.

Ausweitung auf ganz Österreich

Die Bundesregierung ruft für ganz Österreich indes eine "Ausgangsbeschränkung" aus. Das sagte Bundeskanzler Kurz am Sonntag gegenüber der APA. Für Ausnahmen, das Haus zu verlassen, soll es nur drei Gründe geben: Berufsarbeit, die nicht aufschiebbar ist, dringend notwendige Besorgungen (Lebensmittel) und wenn man anderen Menschen helfen muss.

Wenig später kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz im ORF-Interview gegen 13 Uhr an, dass die heute früh in Tirol verhängte Ausgangssperre auf ganz Österreich ausgedehnt werden soll. Auf die Frage des Reportes, ob diese Beschränkungen in allen anderen Bundesländer kommen können, meinte Kurz: „Ja selbstverständlich. Das sind notwendige Schritte für alle Bundesländer. In Tirol ist die Situation akuter als in anderen Bundesländern. Wir reden von einem Unterschied von ein paar Stunden oder Tagen, wo Tirol voran ist.“

Ausnahme für Spaziergänge

Diese von der Regierung angekündigten "Ausgangsbeschränkungen" werden österreichweit einheitlich gestaltet, das gilt auch für Tirol. Dazu wird es von Gesundheitsminister Rudolf Anschober eine Weisung an die Bezirksvertretungsbehörden geben, allen Bewohnern "Verkehrbeschränkungen" anzuordnen, hieß es aus dem Kanzleramt. Konkret müssen alle in der eigenen Wohnung bleiben, abgesehen von den Ausnahmen.

Auch die Erlaubnis zum Spazierengehen wird in der Verordnung explizit genannt werden, hieß es aus dem Kanzleramt zur APA - und zwar "in dringenden Fällen alleine oder im Familienverband".

Opposition pocht auf Epidemiegesetz

SPÖ, FPÖ und NEOS haben am Sonntagnachmittag in einer gemeinsamen Presseaussendung auf den Weiterbestand des Epidemiegesetzes gepocht. Konkret fordern sie, "dass das Epidemiegesetz mit dem garantiertem Ersatz vom Verdienstentgang für Ein-Personen-Unternehmen und Betriebe mit bis zu 25 Mitarbeiter in Kraft bleibt".

Christoph Matznetter (SPÖ), Sepp Schellhorn (NEOS) und der Finanzsprecher der FPÖ, Hubert Fuchs, halten dazu gemeinsam fest: "Das wäre das einzige Aktivum, das die kleinen Betriebe und Selbstständigen in der aktuellen Krise haben; dieses Sicherheitsnetz hat die Regierung zehntausenden Betrieben mit hunderttausenden Mitarbeitern weggezogen."

Denn mit dem Covid-19-Fondsgesetz werde die Geltung des Epidemiegesetzes (§ 32, Abs. 4) für die aktuelle Corona-Krise außer Kraft gesetzt. Darin heiße es: "Für selbstständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen."

Polizei kontrolliert ab Montag

Die Beschränkungen im öffentlichen Raum werden laut Bundeskanzleramt ab Montag von der Polizei kontrolliert, im Bedarfsfall drohen auch empfindliche Verwaltungsstrafen. Man kann sich zwar abseits der drei Ausnahmen weiterhin im öffentlichen Raum aufhalten, etwa für Spaziergänge, dies aber nur alleine oder mit Personen, mit denen man zusammenlebt. Dies solle aber nur in dringenden Fällen geschehen.

Ab Montag drohen dann bei Zuwiderhandeln Verwaltungsstrafen in Höhe von bis zu 2.180 Euro.

Ex-Zivis werden wieder einberufen

Die Wiedereinberufung ehemaliger Zivildiener wird Männer betreffen, die in den letzten fünf Jahren ihren Dienst geleistet haben und zwar im Sanitätsbereich beim Roten Kreuz und in Pflegeheimen, präzisierte Bundeskanzler Kurz (ÖVP) im Laufe des Tages. Sie sollen helfen, potenzielle Engpässe im Pflegebereich sowie in der 24-Stunden-Betreuung zu bewältigen.

Bei der Miliz ist eine Teilmobilisierung von einigen Einheiten geplant. Genaues weiß man noch nicht. Sie sollen in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden. Im Einsatz sind auch die Heeressportler, die ja keine Sportveranstaltungen mehr haben. Sie helfen beim Schlichten in Supermärken. Bei den Grundwehrdienern sind jene betroffen, die vor der bevorstehenden Ausmusterung Ende März stehen. Diese wird sistiert. Wie viele das sind, war noch nicht bekannt.

Corona-Verdachtsfall gestorben

Ein 65-jähriger Mann, der im Verdacht stand, sich mit dem neuen Coronavirus infiziert zu haben, ist indes am Sonntag im Kaiser-Franz-Josef gestorben. Der Patient wies schwere Vorerkrankungen auf und wurde seit Samstag intensivmedizinisch betreut, gab der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bekannt.

Falls sich der Mann tatsächlich mit dem Virus infiziert haben sollte, so wäre dies der zweite Todesfall in Österreich. Am Donnerstag ist ein 69-jähriger Covid-19-Patient im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital verstorben.

Was im Parlament besprochen wird

Die heutige Sitzung ist mehr als außergewöhnlich. Nicht nur, dass das Parlament an einem Wochenende tagt. Das neue Gesetzespaket zu Corona wird in atemberaubender Geschwindigkeit beschlossen. Was sonst Monate dauert, wird binnen zwei Tagen erledigt. Die Abgeordneten haben sich bereits eingefunden und halten Abstand. Platz nehmen müssen sie heute in mehreren Räumen und auf der Besuchergalerie, weil immer ein Platz zum Nachbarn frei sein muss. Überall sind große, blitztürkise Desinfektionsspender aufgestellt, die die Abgeordneten immer wieder nutzen.

© APA/ROBERT JAEGER

Sportstätten und Restaurant bald ganz zu

Die Sitzung beginnt mit einem Statement von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Das Parlament habe sich "in einer Zeit der Krise" zusammengefunden. Er wolle noch einmal betonen, dass die Lage ernst sei. Deshalb werde das Land die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduzieren müssen. Zudem kündigt Kurz an, dass ab Dienstag alle Restaurants und Lokale ganz schließen werden. "Meine Damen und Herren: Bleiben Sie zuhause". Auch Spielplätze und Sportstätten werden schließen. Nur so könne das Virus "ausgehungert" werden. Er könne zudem "garantieren", dass die Versorgung mit Lebensmittel und Medikamente gewährleistet sei. Kurz kündigt zudem zusätzliche Flugverbote zu Russland, der Ukraine und Großbritannien an.

Weiters sollen sich ehemalige Zivildiener und die Miliz bereit halten, um "Dienst für das Land" zu leisten, falls dies notwendig ist. Aktuelle Zivildiener werden verlängert, Zivis der letzten fünf Jahre werden rekrutiert. Auch Grundwehrdiener müssen ihren Dienst länger ausüben, Kurz habe Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bereits ersucht, die Ausmusterung zu stopppen.

Auch ein Versammlungsverbot werde eingesetzt. "Es werden herausfordernde, schwierige und schmerzhafte Wochen werden", erklärt der Kanzler. Nur so könne man die Verbreitung des Virus einschränken. Und er hoffe, dass man nach Ostern "wieder auferstehen" werde. Nun müsse man aber "zusammenstehen". Jeder müsse nun seinen Beitrag leisten.

Kogler: Bevölkerung muss "aufwachen"

Vizekanzler Werner Kogler betont einmal mehr, wie wichtig es sei, Abstand zu halten. Offenbar haben das viele noch nicht verstanden, in Parks und in den Einkaufsstraßen haben sich Menschen gesammelt. "Das kann es nicht sein und wir werden alles tun, um das zu unterbinden." Die Bevölkerung müsse nun "aufwachen", sagt Kogler sichtlich aufgebracht. Zudem gebe es immer wieder Sportvereine, die weiterhin Trainingseinheiten abhalten. "Wer das ab Montag nicht einhält, kann sich in den nächsten Jahren von Förderungen verabschieden - ich meine das ernst." Die Vehemenz der Rede scheint viele im Saal Anwesende zu überraschen.

© APA/ROBERT JAEGER

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner spricht "von der größten Gesundheitskrise" der jüngeren Geschichte, "die Situation ist ernst". Deshalb müsse man nun alles tun, um eine Situation wie in Italien zu vermeiden. "Würden wir keine Maßnahmen setzten, wäre es wahrscheinlich, dass wir bei uns eine ähnliche Lage hätten." Die Maßnahmen seien streng, "aber aus medizinischer Sicht kann ich Ihnen sagen: Sie sind alternativlos". Es brauche nun "einen Schutzschirm" für Menschen und Wirtschaft.

Kickl: "Es braucht Sieg des Optimismus"

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl spricht von einer großen gemeinsamen Anstrengung, die nun bevorstehe. Es brauche nun einen "Sieg des Optimismus und der Zuversicht", was die Bewältigung der Krise betrifft. "Das ist das große Gemeinsame, das man nun spüren kann." Nun gelte es, die gefährdeten Gruppen zu schützen. Der Virus sei nun "Neuland für uns alle". Nun müsse aber jeder seinen Beitrag leisten, um die Krise zu bewältigen. Es werde sicher mehr brauchen als jene vier Milliarden, die heute für die Wirtschaft bereitgestellt werden.

Auch Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer ruft die Menschen dazu auf, daheim zu bleiben. "Wir wissen: 25 Prozent weniger Sozialkontakte verringern das Risiko - und wir sollten die Kontakte noch weiter senken." WGs fordert Maurer auf, "jetzt keine Partys zu machen, weil nichts anderes offen hat".

© APA/ROBERT JAEGER

"Harte wirtschaftliche Zeiten"

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bedankte sich bei dem medizinischen Personal und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Handel. Ihre Arbeit sei nun besonders wichtig. Angesichts der neuen Maßnahmen "müssen wir jetzt zusammenhalten". Nun kommen "ganz harte wirtschaftliche Zeiten" auf das Land zu. "Diese vier Milliarden sind viel, viel zu wenig."

Gesundheitminister Rudolf Anschober wünscht all jenen, die aktuell infiziert sind, "eine gute Genesung". Nun brauche es "Zusammenhalt" im Land, "und dann können wir das schaffen und diese Krise bewältigen". Innenminister Karl Nehammer betont, dass die Sicherheit im Land gewährleistet werde. Die Polizei sei gut aufgestellt, "für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher ist sieben Tage die Woche 24 Stunden lang gesorgt". Man brauche aber auch die Mitarbeit der Bevölkerung.

Hilfspaket für Wirtschaft

Kern der Gesetzesinitiative, die heute beschlossen wird, ist ein Fonds, über den Hilfen bis zu vier Milliarden Euro vergeben werden können- einerseits an die Wirtschaft bzw. zum Wohl der Arbeitnehmer, andererseits für Maßnahmen, die etwa zur Stärkung der Gesundheitseinrichtungen beitragen können. Was die Teilschließungen in Handel und Gastronomie angeht, werden auch hohe Strafen für Zuwiderhandeln fixiert.

Noch am Sonntag soll Bundespräsident Alexander Van der Bellen das Gesetzeswerk absegnen, dem folgt die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, wodurch die Maßnahmen wie geplant schon am Montag in Kraft gesetzt werden können.

Größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die drastischen Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Coronavirus-Krise verteidigt. In einer "ZiB Spezial" am Samstagabend betonte der Kanzler, man dürfe hier nicht irgendetwas beschönigen und meinen, das Vorgehen gegen die Krankheit sei übertrieben. "Wir stehen vor der größten Herausforderung in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg."

"Die Krankheit bringt Leid und vielen Menschen den Tod", sagte Kurz. Der Bundeskanzler erinnerte an die Lage in Italien, wo es "hundert Tote pro Tag" gebe. Angehörige müssten sich von ihren sterbenden Angehörigen am Telefon verabschieden. Ärzte müssten entscheiden, wen sie noch behandeln könnten, weil nicht genügend Kapazitäten vorhanden seien.

Lazarette könnten errichtet werden

Kurz verwies auch darauf, dass in den Bundesländern Lazarette errichtet würden, sollte in den Spitälern nicht genügend Platz für Corona-Patienten sein. Angesichts dieser dramatischen Lage werde die Republik ab Montag auf Notbetrieb heruntergefahren, es werde nur einen Minimalbetrieb geben. Man müsse aber darauf achten, dass das System handlungsfähig bleibe, und man habe deshalb eine Vorlaufzeit eingeplant.

Der Kanzler appellierte an die Bürger, ihren Beitrag zu leisten, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Dazu gehöre unter anderem, nur aus dem Haus zu gehen, wenn es unbedingt nötig sei, und Hygieneregeln einzuhalten. Er hoffe, dass man nach Ostern das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wiederaufleben lassen könne. Via Twitter appellierte der Bundeskanzler zudem an die Bevölkerung, die Lage ernst zu nehmen: "Nehmen Sie die Situation ernst und glauben Sie den Beschwichtigungen nicht!", hieß es in einem Tweet am späten Samstagabend. "Nur gemeinsam können wir die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen."