Trotz der drastischen Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus schließt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Ausgangsperren in Österreich für die Zukunft aus. Das sagte er im Interview mit dem Ö1-Mittagsjournal am Samstag. Überdies kündigte er den Ausbau von Intensivbetten und Unterkünften für leichtere Fälle, etwa in leer stehenden Hotels, an.
Einmal mehr argumentierte der Gesundheitsminister die Strategie der Regierung, dass die Bevölkerung zum jetzigen Zeitpunkt ihre sozialen Kontakte herunterfahren soll, um die Zahl der Neuansteckungen zu minimieren. Ausgangssperren für die Zukunft schließt er allerdings aus - "nach allen jetzigen Einschätzungsmöglichkeiten."
"Strategie des Zeitgewinns"
Die "Strategie des Zeitgewinns", wie Anschober es nennt, hat mehrere Gründe. Die exponentielle Anstiegskurve bei den Erkrankungen - derzeit liegt sie täglich bei 40 bis 50 Prozent - solle nämlich soweit gedämmt werden, dass "der Höhepunkt der Entwicklung in einen Zeithorizont kommt, wo wir erstens möglicherweise ein Medikament haben, das direkt spezifisch angewendet werden kann und wir auch die Grippewelle, die nach unseren Erfahrungen immer circa Ende März abflacht, überstehen und übertauchen". Derzeit gebe es in Österreich rund 100.000 Menschen mit Grippe oder grippeähnlichen Erkrankungen.
Der Gesundheitsminister ist übrigens überzeugt, dass zuerst ein Medikament auf den Markt kommen wird. Mit einer Impfung rechnet er erst später: "Ich wäre wirklich sehr, sehr glücklich, wenn es die Impfung bis Jahresende, Anfang des nächsten Jahres geben würde. Das sind die Prognosen, die uns seitens der Wissenschaft vorgelegt werden."
Kritik an Frankreich und Deutschland
Was die Situation in Österreichs Spitälern anbelangt, so versicherte Anschober, dass mit Voraussicht gehandelt werde - beispielsweise mit dem schonenden Umgang von Ressourcen, etwa durch die Verschiebung nicht notwendiger Operationen. Geplant sei auch der ausreichende Einkauf von Schutzmaterial, wie beispielsweise Schutzbrillen. Doch das sei ein Problem, da der Weltmarkt im Augenblick "leer" ist. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch das Vorgehen Deutschlands, das ebenso wie Frankreich ein Exportverbot für diese Materialien verhängt hat. "Aus meiner Sicht geht das nicht. Das ist völlig unsolidarisch."
Zumindest sei es gelungen, dass es nun in Deutschland einen Erlass gebe, der vorsehe, "dass die Lkw, die schon an der Grenze stehen voller Gesichtsmasken für Österreich, dass die jetzt über diese sogenannte Grenze innerhalb der Europäischen Union fahren können und die Zulieferung zu den Spitälern ermöglicht wird".
Intensivbetten: Keine konkreten Zahlen
Ein weiteres Thema des Interviews war die Anzahl Intensivbetten, die es in Österreichs Spitälern gibt - konkret auch, wie viele Normalbetten in Intensivbetten umgewandelt werden können. Details dazu konnte Anschober noch nicht liefern. Man sei gerade in der Erhebung, die bis auf ein paar ausstehende Zahlen im Wesentlichen abgeschlossen sei. Nichtsdestotrotz gab es eine Veranschaulichung: Auf die Frage, ob man davon ausgehen könnte, dass es österreichweit 1.400 Intensivbetten seien, nachdem in Wien 700 bereitgestellt werden könnten, antwortete er: "Es werden mehr sein, um die es geht. Jedes zusätzliche Bett ist ein Gewinn und ein Erfolg. Deswegen arbeiten wir auf Länderebene derzeit ganz intensiv daran, dass wir diese Strukturen aufstocken und wir unterstützen sie aber auch, diese neuen Strukturen zusätzlich zu schaffen."
Der Minister veranschaulichte, dass es sich dabei nicht nur um Spitäler handeln muss: Es gebe Bereiche und Flächen, die jederzeit umgebaut werden könnten, verwies er auf die Vorgehensweise Wiens, wo die Messe in ein Betreuungszentrum für leichte Erkrankungsfälle umfunktioniert werden kann. In anderen Bundesländern könnte dies beispielsweise ein leer stehendes Hotel sein: "Da wird es unterschiedliche Lösungsansätze geben - wichtig ist, dass wir jetzt ausreichend Potenzial schaffen."