Dass die FPÖ in Bad Großpertholz (Bezirk Gmünd) erstmals in Niederösterreich einen Bürgermeister stellen wird, hat Wellen vom Waldviertel bis nach Wien geschlagen. Kritische Worte für das mit der Liste Freiheitliche und Unabhängige Pertholz Aktiv geschlossene Arbeitsübereinkommen richteten sich an die SPÖ. ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior bezeichnete die Sozialdemokraten etwa als "scheinheilig".
Die ÖVP verlor bei der Gemeinderatswahl am 26. Jänner die absolute Mehrheit in Bad Großpertholz und fuhr acht von 19 Mandaten ein (minus 5). Die SPÖ erreichte sechs Abgeordnetensitze (plus einer) und Rang zwei. Die FPÖ-nahe Liste Freiheitliche und Unabhängige Pertholz Aktiv legte um vier Mandate auf fünf zu.
Bürgermeisterwechsel nach zweieinhalb Jahren
Das Arbeitsübereinkommen wurde am Sonntag unterzeichnet. Hermann Hahn, Spitzenkandidat der FPÖ-nahen Liste, soll in den ersten zweieinhalb Jahren als Bürgermeister fungieren, danach soll der Posten des Ortschefs zur SPÖ wandern.
"Die SPÖ in Niederösterreich legt eine Doppelmoral an den Tag, wenn sie einerseits gegen die FPÖ moralisiert, ihrem Fraktionssprecher Hermann Hahn aber andererseits zum Amt des Bürgermeisters verhilft", betonte Melchior in einer Aussendung. Das beweise, "dass die SPÖ in der Sekunde mit der FPÖ kooperiert, wo es geht". Vor kurzem habe SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner noch behauptet, dass die FPÖ auf der Regierungsbank nichts verloren habe. "Jetzt zeigt sich aber ein ganz anderes Bild. Das ist scheinheilig und inkonsequent", hielt Melchior fest.
"Freiwillige Selbstaufgabe der SPÖ"
Kritik am Vorgehen der SPÖ in der 1.300-Einwohner-Gemeinde kam auch seitens der niederösterreichischen NEOS sowie der Grünen im Bundesland. "Es ist unverständlich, dass man der FPÖ den Bürgermeistersessel überlässt, obwohl man vor ihr liegt. Das ist eine freiwillige Selbstaufgabe", befand Indra Collini, Landessprecherin der Pinken. "Die Sozialdemokratie wirft alle ihre Grundsätze so einfach über Bord", sagte der Landesgeschäftsführer der Grünen, Hikmet Arslan. "Werte und Moral zählen anscheinend bei der SPÖ in unserem Bundesland nicht mehr."
SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar reagierte auf die Kritik mit einem Sprichwort. "Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen", sei allen, "die sich gerade so künstlich echauffieren" ins Stammbuch geschrieben. "Die Grünen seien erinnert an Wr. Neustadt oder zahlreiche andere Zusammenarbeiten in den abenteuerlichsten, farblichen Kombinationen in Niederösterreich", schrieb Kocevar in einer Stellungnahme. "Wenn man für die ÖVP den Steigbügelhalter spielen kann, scheint es aber keine verwerflichen Konstellationen zu geben."