Sie wurden als erster Minister der Zweiten Republik vom Bundespräsidenten entlassen. Schmerzt es Sie, damit in die Geschichte einzugehen?
Herbert Kickl: Im Gegenteil, ich hätte auch einfach zurücktreten können. Aber ich wollte Bundespräsident und Kanzler den Entlassungsakt nicht ersparen. Darin hat sich die Allianz zwischen Grün und Schwarz abgezeichnet. Ich wurde hinausgeschmissen, weil ich das Regierungsprogramm umgesetzt habe. Ich hätte als Minister Begehrlichkeiten von außen nachgeben können, mich von Buffet zu Buffet schwingen und Bandln durchschneiden können. Das entspricht aber nicht meinem Naturell.
Die Opposition dürfte Ihrem Naturell mehr entsprechen. Genießen Sie Ihre Rückkehr? Dort poltert es sich deutlich leichter als auf der Regierungsbank.
Genießen ist vielleicht das falsche Wort, aber ja, ich fühle mich wohl in dieser Rolle. Weil ich überzeugt bin, dass eine gute Opposition wesentlicher Teil des demokratischen Gefüges ist. Ich sehe das anders als Frau Rendi-Wagner, die „Opposition ist Mist“ gesagt hat. Opposition ist Pflicht.
Als Minister schienen Sie zeitweise in Opposition zu Ihrer eigenen Regierung zu sein.
Was mich vielleicht von vielen meiner Kollegen in der Politik unterscheidet, ist, dass ich auch wirklich etwas sage, wenn ich den Mund aufmache. Das habe ich auch als Innenminister getan. Und das gefällt nicht jedem.
Ihren Nachfolgern Peschorn und Nehammer gefielen auch manche Ihrer Projekte nicht, neben der Pferdestaffel wurde auch einiges andere rückgängig gemacht. Haben Sie Fehler gemacht?
Das glaube ich nicht, da ging es der ÖVP nur darum, Projekte eines blauen Ministers rückgängig zu machen. Man hat Reiter und Pferde ausgebildet und kurz bevor der Probebetrieb anläuft, stellt man alles wieder ein. Das war das Dümmste, was man machen konnte.
Das Argument, dass das Projekt noch vor dem Start Unmengen an Geld verschlungen hat, lassen Sie nicht gelten?
Bevor man einen Probebetrieb startet, kann man nicht sagen, ob das etwas bringt. Die Zahlen, die hier herumgeistern, sind völliger Blödsinn. Wenn man die für Polizisten ohnehin anfallenden Personalkosten herausrechnet, bleiben Kosten von weniger als einer Million. Die Aufregung ist übertrieben.
Für Aufregung hat Nehammer in Kärnten und der Steiermark mit angekündigten Asylzentren gesorgt, nun soll es bei grenznahen Asylverfahren bleiben. Eine gute Idee?
Eine absolute Schnapsidee. Das verursacht Kosten und verkompliziert die Abläufe. Man müsste an den Grenzen um viel Geld neue Infrastruktur für solche Verfahren errichten und die Beamten müssten im Rotationsprinzip an die Grenzen geschickt werden – wie ein Wanderzirkus. Dabei habe ich in Traiskirchen alles, was ich für eine Verfahrensführung brauche. Ich weiß nicht, welcher Teufel ihn da geritten hat.
Einige Ihrer Ideen haben es auch ins aktuelle Regierungsprogramm geschafft, unter anderem die Sicherungshaft und das Kopftuchverbot. Ärgert Sie das, dass nun andere für Ihre Ideen die Lorbeeren kassieren?
Gute Ideen sind nicht plötzlich schlecht, nur weil sie in einem anderen Regierungsprogramm stehen. Was mich aber ärgert, ist, dass diese Regierung so tut, als hätte sie einige Dinge erfunden. Das einzige Ei, das der gackernde Haufen bis jetzt gelegt hat, ist die Steuerreform. Und in diesem Projekt steckt von Anfang bis Ende Hubert Fuchs (Anm.: Ex-FPÖ-Staatssekretär im Finanzministerium) drin. Da ist die Regierung unehrlich. Es würde Kurz kein Zacken aus der Krone fallen, wenn er zugibt, dass es sich hier um eine FPÖ- Errungenschaft handelt.
Kommt die Sicherungshaft?
Wir hatten damals mit der SPÖ keine Verfassungsmehrheit. Jetzt hat sich das die neue Regierung vorgenommen und wir Freiheitliche stehen für eine Zwei-Drittel-Mehrheit bereit. Es wäre ja großartig, wenn man ein blau-schwarzes Projekt mithilfe der Grünen umsetzt ...
Eine FPÖ-Anfrage hat ergeben, dass derzeit 72 Jihad-Rückkehrer in Österreich leben. Sie fordern deren Abschiebung. Als jemand, der selbst machtlos bei Abschiebungen ohne Rücknahme durch die Heimatländer war: Machen Sie es sich hier nicht ein bisschen leicht?
Nein, weil man Jihadisten ja nicht freudig empfangen muss, wenn sie aus dem Flieger steigen. Hier ist man viel zu defensiv. Ich würde mir überlegen, IS-Rückkehrer zu internieren.
Und wieder eine Wortwahl, die Ihnen Kritik einbringen wird.
Der Begriff steht in der Genfer Flüchtlingskonvention. Aber sehen Sie es so: Wer im Verdacht steht, das Coronavirus zu haben, wird auch interniert – nur dann heißt es Quarantäne.
Was ist das für ein Vergleich? Das geschieht, weil man die Ausbreitung einer hoch ansteckenden Krankheit verhindern will.
Ja, aber es werden auch Menschen interniert, bei denen nur der Verdacht besteht, dass sie krank sein könnten. Was ich sagen will, ist, dass man diese IS-Rückkehrer bei ihrer Ankunft für eine gewisse Zeit festsetzt und sich ihr Gefahrenpotenzial ansieht. Damit würde man die Bevölkerung vor tickenden Zeitbomben schützen. Ich würde an Nehammers Stelle über diese Variante nachdenken.
Die Zahl der rechtskräftig abgelehnten Asylwerber, die nicht abgeschoben werden können, ist ein deutlich größeres Problem. Auch Sie sind daran gescheitert.
Jetzt kann ich das ja sagen: Ich habe in meiner Amtszeit einen Vertrag mit Serbien ausverhandeln lassen, bei dem man sich darauf geeinigt hat, dort gemeinsam ein Rückkehrzentrum zu betreiben. Dorthin hätten wir Menschen bringen können, die kein Recht auf Asyl haben, aber deren Länder sie nicht zurücknehmen. Was daraus geworden ist? Ich weiß es nicht.
Aber was würde das langfristig lösen? Dann sind die Betroffenen schlicht das Problem von Serbien?
Ja natürlich, es geht nicht anders. Ziel ist es schon, sie dann irgendwo anders hinzubringen. Aber mein Job als Innenminister ist es, dass sie schlicht nicht mehr in Österreich sind.
Dass Sie heute nicht mehr Innenminister sind, haben Sie Ihrem langjährigen Parteifreund Strache zu verdanke. Welches Verhältnis haben Sie heute zu ihm?
Ein Nicht-Verhältnis. Es gibt nichts zu besprechen. Ich habe ihm damals gesagt, dass er sich aus der Politik zurückziehen und sich genieren soll.
Er hat offenbar nicht auf Sie gehört, seine Kandidatur bei der Wien-Wahl gilt als sicher. Macht Ihnen das Sorgen?
Ich sehe das sportlich, Dominic Thiem kann sich auch nicht aussuchen, gegen wen er spielt.
Aber Ihr neuer Gegner tritt mit dem identen Wahlprogramm an.
Das ist ja nichts Neues. Seit unserer Wiederaufstiegsphase hatten wir kaum eine Wahl, bei der nicht versucht wurde, ein ähnliches politisches Produkt als Gegenmodell aufzustellen. Zuerst das BZÖ, dann das Team Stronach – und alle sind fulminant gescheitert. Es ist also Strache, der ein Problem haben wird. Freiheitliche Inhalte vertritt nur die FPÖ glaubhaft.
Strache soll gemeinsam mit Gudenus Industrielle dazu gebracht haben, Hunderttausende Euro an die FPÖ zu spenden – über parteinahe Vereine. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?
Ich wehre mich gegen die damit erhobenen Kriminalisierungsvorwürfe. Es ist erst einmal nichts Verbotenes daran, einen parteinahen Verein zu gründen. Man könnte Global 2000 durchaus als parteinahen Verein der Grünen bezeichnen, weil sie eine Ministerin und eine Parteivorsitzende aus diesem Stall gekeilt haben. Und auch das Sammeln von Spenden ist nicht verboten. Das machen zahlreiche Vereine im Umfeld anderer Parteien genauso. Den Vorwurf einer Umgehungskonstruktion weise ich also entschieden zurück.
Das Betonen, dass es die anderen genauso machen – ist das nicht zu wenig?
Aber die Kritik konzentriert sich immer auf die FPÖ.
Hat Ihnen die meist scharfe Kritik an Ihrer Person je wehgetan?
Teilweise handelt es sich dabei ja mehr um blanken Hass, der manchmal auch als Satire getarnt wird – auch im ORF. Das tut nicht weh, weil ich diese Menschen dafür nicht ernst genug nehme. Weh tun könnten mir nur meine Familie und enge Freunde. Die Kasperln vom ORF und meine politischen Gegner können mir nicht wehtun. Im Gegenteil: Wenn die mich loben würden, hätt ich etwas falsch gemacht.