Die Ernennung und Angelobung von Christoph Grabenwarter zum neuen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen ging heute über die Bühne. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) waren bei der Zeremonie anwesend.
Ins Zeichen "zeitgemäßer Gerichtsbarkeit" mit Offenheit gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen und Europa stellt der neue VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter seine voraussichtlich 17-jährige Amtszeit. Ein großes Anliegen ist ihm, das Verfassungsbewusstsein zu stärken. Zum Amtsantritt wünschte er sich etwas mehr Personal. Die Fallzahl steigt weiter und der VfGH sei "personell extrem knapp aufgestellt".
Zur aktuellen Justiz-Debatte betonte Grabenwarter, dass die Justiz in Österreich unabhängig sei, das habe sie zuletzt wieder bewiesen. Debatten in diesem Bereich müssten jedenfalls "sachlich" geführt werden.
Viele Fälle im Asylbereich
5.200 neue Fälle wurden 2019 an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, darunter viele auf Überprüfung von Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit - und, vier Jahre nach der Flüchtlingswelle, sehr viele im Asylbereich. Jeder Verfassungsrichter bearbeitet jährlich 400 bis 500 Fälle, unterstützt von jeweils drei wissenschaftlichen Mitarbeitern. Deren Anzahl - derzeit rund 40 - müsste um fünf erhöht werden, wenn man Qualität und Quantität der Rechtsprechung beibehalten möchte, sagte Grabenwarter im APA-Interview.
Um die Erledigungsdauer von rund vier Monaten halten zu können, hat er den Finanzminister in den Budgetverhandlungen um Aufstockung gebeten. Die Regierung müsse ein Interesse an raschen und guten VfGH-Verfahren haben - erspare es der Republik doch Geld, wenn z.B. rasch über einen Asylstatus entschieden wird. "Und jeder Fall, den wir menschenrechtskonform lösen, trägt dazu bei, dass Österreich international gut dasteht", merkte Grabenwarter an.
Zu aktuellen rechtspolitischen Projekten - wie Sicherungshaft oder Asylberatung - will sich der neue VfGH-Präsident nicht äußern. Denn "alle umstrittenen Maßnahmen landen irgendwann bei uns", und dann entscheide der Gerichtshof nach einem gründlichen Verfahren. Voraussichtlich "in der Nähe" der im Gesetz "tunlichst" empfohlenen Dauer von vier Wochen wird der VfGH über den SPÖ-NEOS-Antrag zum Ibiza-Untersuchungsausschuss entscheiden; die nächste Session beginnt am 24. Februar.
Erster Steirer als Präsident
Der 1966 geborene Steirer ist seit 2005 am VfGH als Richter tätig, zum Vizepräsidenten war er 2018 bestellt worden. Grabenwarter wird der schwarzen, heute türkisen Reichshälfte zugerechnet. In den Nuller-Jahren war er für die ÖVP im Verfassungskonvent aktiv. Sieben der übrigen 13 Mitglieder, die an Abstimmungen über Erkenntnisse teilnehmen - der Präsident tut dies nur ausnahmsweise - wurden von ÖVP oder FPÖ nominiert.
Grabenwarter kann bis Ende 2036 im Amt bleiben. Das wäre die dritt-längste Amtsdauer - ist Grabenwarter doch bei seiner Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen auch der drittjüngste Präsident. Und er ist der erste Steirer, der den VfGH leitet.
Die Amtsdauer der VfGH-Präsidenten ist gesetzlich beschränkt: Sie können bis zum Ende des Jahres im Amt bleiben, in dem sie 70 Jahre alt werden. Das schöpfen sie in der Regel aus.
Neuer Vize steht noch nicht fest
Wer Grabenwarter als Vizepräsident oder -präsidentin nachfolgt, steht noch nicht fest. Nach der Ernennung des neuen VfGH-Präsidenten durch den Bundespräsidenten muss der Posten binnen eines Monats ausgeschrieben werden. Sollte der Vizepräsident aus den Reihen des bestehenden Gremiums kommen, muss die offene Position eines Mitglieds wiederum binnen eines Monats ausgeschrieben werden.
Das Nominierungsrecht für den Vizepräsidenten hat die Bundesregierung - und dort wohl die Grünen, sitzt Grabenwarter doch auf einem ÖVP-Ticket. Kämen die Grünen beim Vizepräsidenten nicht zum Zug, könnten sie ein neues Mitglied nur dann vorschlagen, wenn ein bisheriges VfGH-Mitglied aufsteigt. Vizepräsident können laut Bundesverfassungsgesetz nur Richter, Verwaltungsbeamte oder Universitätsprofessoren eines rechtswissenschaftlichen Fachs werden.
Verjüngung, aber kaum Frauen
Mit ihrer Nachbesetzung ist eine große Verjüngungswelle am Gerichtshof abgeschlossen. Seit 2008 wurden bereits elf (und bald 12) der 14 Verfassungsrichter ersetzt - überwiegend weil sie die Altersgrenze von 70 Jahren erreicht hatten, teilweise aus Gesundheitsgründen.
Brigitte Bierleins Nachbesetzung wird die einzige der aktuellen Regierung sein - wenn die nächste Nationalratswahl nicht wieder vorgezogen wird. Denn die nächste, die zur 70er-Feier lädt, ist Claudia Kahr, im Jahr 2025. Nach ihr muss Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP-Ticket) Ende 2027 den Gerichtshof verlassen.
Kahr ist eines der fünf SPÖ-nominierten Mitglieder - und eine von derzeit nur vier Frauen. Deutlich angehoben werden kann die Frauenquote erst in rund zehn Jahren: Von 2029 bis 2032 erreichen sechs der 14 Mitglieder das Pensionsalter.