Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) hat sich Freitagvormittag erste Tipps für die bevorstehende Pflegereform geholt. Er startete im "Haus der Barmherzigkeit" in der Seeböckgasse eine Dialog-Tour mit Betroffenen, Fachexperten und NGOs. Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser empfahl als erstes einen Ausbau der häuslichen Versorgung, der mobilen Dienste und der Tageszentren.

Als zweites wünschte sich Moser, die als Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) am Termin mit dem Minister teilnahm, ein flächendeckendes Informationsnetz. Die BAG ist ein Zusammenschluss der großen Trägerorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe. Moser verwies zudem auf den Fachkräftemangel. "Wir brauchen gute Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter." Im Mittelpunkt jeder Reform müsse auf der einen Seite der zu pflegende Mensch und seine Würde stehen und auf der anderen Seite die Pflegekräfte.

Auf das burgenländische Anstellungsmodell für pflegende Angehörige angesprochen, zeigte sich Anschober für alle Idee offen. "Ich gehe total offen in diesen Dialog rein. Ich will lernen dabei." Aber er stehe erst am Beginn des Dialogs, am Ende werde er ein Ergebnis präsentieren. "Wir werden uns das burgenländische Modell - auch direkt vor Ort - anschauen, aber ich kann am Anfang des Dialogs noch keine Ergebnis nennen."

"Wir müssen Pflege viel mehr zum Thema machen als es derzeit der Fall ist", sagte Anschober. Er werde die zweimonatigen Dialogtour dazu nutzen, sich "in allen Kernbereichen ein wirkliches Bild zu machen". "Ich will dabei lernen", so der Minister, der insgesamt große Ziele hat. So will er sein Ministerium zum "Ministerium für Zusammenhalt machen" und die Sozialpartnerschaft nicht nur wieder beleben, sondern weiterentwickeln und sie um eine Dritte Säule der Zivilgesellschaft erweitern.

Zeitplan

Für die Pflegereform skizzierte er neuerlich den Zeitplan, wonach nach der Dialogtour im Februar und März nach Ostern die Taskforce gestartet wird und im November ein Paket zur Pflegereform im Detail stehen soll.

Zur umstrittenen Indexierung der Familienbeihilfe, die ein Prestigeprojekt von Türkis-Blau war und vor allem viele ausländische Pflegekräfte trifft, äußerte sich Anschober ablehnend. "Ich habe das von Beginn an kritisch gesehen, weil es Auswirkungen hat auf unser System." Er warte jetzt aber das Ergebnis der diesbezüglichen anhängigen Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ab.

Derzeit gibt es in Österreich 460.000 Pflegegeldbezieher, der finanzielle Aufwand beträgt 2,6 Mrd. Euro im Jahr. Ein Drittel der Pflegegeldbezieher (153.500) bezieht mobile Dienste. 95.000 Menschen bzw. 20 Prozent der Pflegegeldbezieher sind in Pflegeheimen. Mehr als 175.000 Menschen werden ausschließlich von Angehörigen gepflegt. Weniger als sechs Prozent der Pflegegeldbezieher nutzen Angebote wie Tageszentren, Kurzzeitpflege, betreutes Wohnen oder mehrstündige Alltagsbegleitung.

Es gibt mehr als 950.000 pflegende Angehörige und mehr als 42.000 pflegende Kinder. 73 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Gleichzeitig sind 127.000 Pflege- und Betreuungspersonen in Krankenhäusern und im Bereich der Langzeitpflege tätig. Mehr als 85 Prozent davon sind weiblich und rund ein Drittel ist über 50 Jahre alt. Das bedeutet, dass in den kommenden zehn Jahren über 41.000 Pflegepersonen aufgrund von bevorstehenden Pensionierungen ersetzt werden müssen und aufgrund der demografischen Entwicklung zusätzlich 34.000 Pflegekräfte benötigt werden, in Summe also mindestens 75.000.

Die "Dialog-Tour" führt Anschober nach der Pressekonferenz am Vormittag zu einem Treffen mit den Ärzten und Buchautoren Günther Loewit und Rudolf Likar Freitagnachmittag.