Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will in einem Hintergrundgespräch nicht, wie von den Medien kolportiert, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als ein Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet haben, die einseitig in Richtung der ÖVP ermitteln. "Das habe ich so nicht formuliert", sagte Kurz am Mittwoch in Brüssel.
"Aber dass es immer wieder im Öffentlichen Dienst politische Parteien gibt, die versuchen, Personen, die ihnen nahestehen, in Führungsfunktionen zu bringen, das ist ja, glaube ich, in der österreichischen Verwaltung immer mal wieder schon vorgekommen und in anderen Ländern auch", so der Kanzler nach einem Gespräch mit EU-Ratspräsident Charles Michel über das nächste EU-Budget. Auf die Frage, ob er volles Vertrauen in die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe, antwortete Kurz, dass er "Vertrauen in den österreichischen Rechtsstaat" habe.
Kritik an Institutionen
Der Bundeskanzler wies darauf hin, dass es immer wieder Regeln gegeben haben, "gewisse Institutionen" nicht zu kritisieren, wie zum Beispiel lange Zeit die Katholische Kirche. "Das war sankrosankt", so Kurz. In den letzten Jahrzehnten habe sich dies verändert und es dürfe auch kritische Diskussion darüber geben. Dies sei zum Beispiel nach den Missbrauchsfällen der Fall gewesen.
Er bezeichnete es als "Glück, in einem Land leben zu dürfen, das einen funktionierenden Rechtsstaat" habe und eine "funktionierende Demokratie" sei. "Wir haben auch eine gut funktionierende Justiz in Summe, aber ich glaube, dass durchaus es legitim sein muss, gewisse Prozesse zu hinterfragen", so Kurz - der wiederholte, "großes Vertrauen in die Justiz in Summe" zu haben, es aber "den einen oder anderen Anlassfall gegeben" gegeben habe, wie zum Beispiel das Vorgehen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Da habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, "die es so nicht geben hätte dürfen". Es sei sinnvoll, noch einmal zu hinterfragen, warum dies der Fall gewesen sei und was man tun könne, damit so etwas nicht mehr vorkomme, so der ÖVP-Politiker.
Erklärung zu Hintergrundgespräch
In dem "off records" (also nicht zur Zitierung freigegebenen) Hintergrundgespräch am 20. Jänner in der Politischen Akademie der ÖVP will Kurz gesagt haben, was er auch "jederzeit öffentlich gerne" sagen könne - "nämlich, dass es wichtig ist, dass es eine unabhängige Justiz gibt, dass es wichtig ist, dass die Justiz auch das Vertrauen aller hat." Er glaube, dass es "einige Fragen zu klären" gebe, insbesondere, ob es gelingen könne, dass die Verfahrensdauer in Österreich kürzer werde. "Wir haben immer wieder die Situation, dass Personen sehr, sehr lange Beschuldigte sind, dass es sehr lange braucht, bis Anklage erhoben wird, oftmals nichts herauskommt."
Es sei wichtig, dass "Personen, die sich etwas zuschulden kommen haben lassen, schnell verurteilt werden, schnell angeklagt werden, aber dass Personen, die sich nie etwas zuschulden kommen haben lassen, nicht jahrelang oder vielleicht sogar ein Jahrzehnt lang als Beschuldigte geführt werden, und dann Probleme in ihrem privaten Fortkommen haben", erklärte Kurz.
Darüber hinaus sei "immer wieder die Situation aufgetreten, dass Daten und Informationen zu Verfahren an die Öffentlichkeit geraten" seien und man "nach wie vor" nicht wisse, wie es dazu komme, so der Kanzler. Für unabhängige Verfahren sei es wichtig, dass diese nicht öffentlich geführt werden. "Das sind alles Themen, die glaube ich, zurecht diskutiert werden müssen", stellte er fest.
Die Justizministerin (Alma Zadic, Grüne, Anm.) habe sein volles Vertrauen und leiste "gute Arbeit", so Kurz. Wenn es das Potenzial gebe, dass die unabhängige Justiz besser werde, werde sie alles dafür tun, dass dieses ausgeschöpft werde, ist er überzeugt. Zadic hatte sich am Mittwoch hinter die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gestellt.