Die vom Chef des neuen Dachverbandes, Peter Lehner, beschworene Harmonie in den Sozialversicherungsträgern funktioniert doch nicht so klaglos. Barbara Teiber, Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), warf Lehner, der auch Obmann der Selbstständigen-Kasse SVS ist, am Montag vor, "nichts als Verachtung" für die Arbeitnehmer zu zeigen.

Lehner hatte unter anderem im Ö1-Morgenjournal gemeint, dass seit der weitgehenden Bestätigung der Sozialversicherungsreform durch den Verfassungsgerichtshof inhaltlicher Konsens im Mittelpunkt stehe und im Dachverband in zwei Sitzungen nur einstimmige Beschlüsse gefallen seien. Gleichzeitig hatte der Obmann der Selbstständigen-Kasse SVS jedoch einen Risikoausgleich für die ÖGK ebenso abgelehnt wie eine Angleichung der Leistungen für die ÖGK-Versicherten an jene der Beamten und Selbstständigen.

Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten.
Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten. © APA/HANS PUNZ

Für Teiber hat Lehner damit klar zu erkennen gegeben, worum es bei der Kassenfusion gegangen sei: "Die guten Kuchenstücke für Selbstständige, Bauern, Beamte und Politiker, die Krumen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Privatwirtschaft." Für die Arbeitnehmer zeige Lehner "nichts als Verachtung", wenn er unterschiedliche Versicherungsleistungen für Arbeitnehmer der Privatwirtschaft auf der einen Seite und Bauern, Selbstständige, Beamte und Politiker auf der andere Seite gutheißt mit dem Argument, man habe Wahlfreiheit bei der Berufswahl. Das ist zynisch und lebensfern", sagte Teiber am Montag in einer Aussendung.

Dachverbands-Vorsitzender Peter Lehner.
Dachverbands-Vorsitzender Peter Lehner. © APA/HERBERT NEUBAUER

Als Obmann des Dachverbandes habe Lehner im Sinne aller Versicherten zu agieren und sich nicht vor den Karren von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) spannen zu lassen.

Auch Ärztekammer kritisiert Dachverbands-Chef

Nach den Arbeitnehmervertretern sowie roten und pinken Politikern hat am Dienstag auch die Ärztekammer den neuen Vorsitzenden im Dachverband der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner, kritisiert. Die versprochene Patientenmilliarde müsse jetzt kommen, forderte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. Lehner hatte erklärt, er könne nicht sagen, ob sie "in fünf oder in sieben Jahren" komme.

Angesichts der aktuellen Herausforderungen sei das zu spät, sagte Szekeres in einer Aussendung. Zudem warnte der Ärztekammer-Präsident davor, Etikettenschwindel zu betreiben und die Milliarde durch Leistungsabbau oder Honorarkürzungen zu finanzieren. Auch Vizepräsident Johannes Steinhart warnte vor Einschnitten ins Gesundheitssystem.

"Fassungslos" reagiert Steinhart auf die Ablehnung des Risikoausgleichs zwischen den Versicherungsträgern durch Lehner. "Darum sollte ein Dachverbandsvorsitzender nicht gleichzeitig Obmann einer anderen Kasse sein. Es besteht ganz offensichtlich die Gefahr, Individualinteressen über die Interessen der Allgemeinheit zu stellen", sagte Steinhart. Lehner ist gleichzeitig auch Obmann der Selbstständigen-Kasse SVS.