Nicht nur der konservative Islam hat laut Susanne Wiesingers Buch "Machtkampf im Ministerium" Auswirkungen auf Österreichs Schulen. Sie ortet auch einen großen Einfluss der katholischen Kirche: In den ÖVP-regierten westlichen Bundesländern entscheide sie weiter beim Stundenplan öffentlicher Schulen mit, fordere ein Mitspracherecht bei manchen Schulleiterbestellungen und in der Sexualerziehung.
"Offenbar genügt ein Anruf aus der Erzdiözese, um den Religionsunterricht auf den Vormittag zu verlegen", schreibt Wiesinger, die wegen der Buchveröffentlichung von ihrem Posten als "Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte" des Bildungsministeriums freigestellt wurde.
Dasselbe gelte dementsprechend auch für andere Religionsgemeinschaften und wichtige Personalressourcen müssten deshalb nur für die Beaufsichtigung der Schüler verwendet werden. "Doch gegen die katholische Kirche und ihre Anliegen scheint man sich unter keinen Umständen stellen zu wollen."
Auch der frühere Grünen-Bildungssprecher Harald Walser, früher AHS-Direktor in Vorarlberg, sieht Einfluss der katholischen Kirche auf das Schulsystem, sei es über die konfessionellen Privatschulen oder den im Konkordat verankerten Religionsunterricht. "Aber meiner Wahrnehmung nach ist das größte Problem die ÖVP, die teilweise wesentlich konservativer ist als die Kirche", sagt er gegenüber der APA.
Beschwerden wegen Einfluss
Einflussnahmeversuche der Kirche bestätigt auch Eytan Reif von der "Initiative Ethikunterricht für alle" im APA-Gespräch. Er erhalten "jede Menge Beschwerden" wegen des Einflusses der Religionsgemeinschaften auf den Stundenplan. Es gebe sogar einen Erlass, wonach Religionsunterricht nach Möglichkeit generell nicht an Randstunden stattfinden soll. Damit sollten Abmeldungen unattraktiver gemacht werden, so Reif. Gleichzeitig habe er Beschwerden erhalten, weil der Schulversuch Ethik an teilnehmenden Schulen im Gegensatz zu Religionsstunden sehr wohl an Randstunden gelegt wurde.
Generell orientierten sich nach Wiesingers Darstellung die ÖVP-regierten Länder sehr stark an der katholischen Kirche und gewährten ihr "sehr viel Gewicht". Themen wie Mitsprache bei der Direktoren-Bestellung oder der Sexualerziehung erwähnt sie nur, als konkretes Beispiel nennt sie den Umgang konservativer Politiker mit dem Thema Ethikunterricht.
Am Ende Kirche mächtiger
Niemand habe sich ihr gegenüber gegen einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle ausgesprochen, auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hat diesen laut Wiesinger ursprünglich befürwortet. "Aber am Ende war die katholische Kirche wieder einmal mächtiger als die Befürworter des allgemeinen Ethikunterrichts."
Am nunmehr geplanten Ethikunterricht-Modell nur für konfessionslose und vom Religionsunterricht abgemeldete Schüler in der Oberstufe, das sich nach dem ÖVP-FPÖ- auch im türkis-grünen Regierungsprogramm findet, findet Wiesinger wenig Gutes. Dieses sei "eine Augenauswischerei", schreibt sie im Buch: "An allen Schulen, die ich besuchte, betonten Lehrer, wie wichtig Ethikunterricht für alle wäre."
Im Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle, der am Montag auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht wurde, klingt das allerdings anders. "Viele Pädagog/innen begrüßten in den Gesprächen, dass der bereits seit 1997 an österreichischen Schulen bestehende Schulversuch "Ethik" ab 2020 zu einem verpflichtenden Ethikunterricht ausgebaut werden soll und zwar für jene, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben." Der Ethikunterricht für alle kommt indes nicht vor.
Wiesinger ist "die Luft ausgegangen"
Ihr sei nach all den Konflikten mit dem Kabinett "einfach die Luft ausgegangen", begründet Wiesinger die Diskrepanz gegenüber der APA.
Für Reif wäre es ein "handfester Skandal", wenn ein Ethikunterricht für alle "ausschließlich aus parteipolitischen - und allen fachlichen Überlegungen zum Trotz - abgelehnt" worden wäre. Er appelliert an die Grünen, die sich in der Vergangenheit stets für ein Fach Ethik für alle eingesetzt haben, das Regierungsprogramm in diesem Punkt nachzuverhandeln. "Alles andere wäre eine beschämende Kapitulation vor dem System (von ÖVP-Bundeskanzler Sebastian, Anm.) Kurz", so Reif.
Die berufliche Zukunft Wiesingers wird sich übrigens voraussichtlich erst Ende Jänner, Anfang Februar entscheiden, sagte sie. Dann soll sie von der Bildungsdirektion erfahren, wo sie künftig arbeiten wird.