Die Frauenagenden sind im neuen Integrationsministerium gelandet. Wie reagieren Sie auf den Schmäh, dass Frauen offenbar in die Gesellschaft integriert werden müssen?
Susanne Raab: Es ist üblich, als Ministerin für mehrere Themen zuständig zu sein. Auch in der Vergangenheit war dieser Bereich Teil größerer Ressorts, zum Beispiel bei Bildung oder Gesundheit. Ich freue mich, für beides zuständig zu sein.
Warum wird Frauenpolitik als Verschubmasse behandelt?
Die Aufteilung ist genau richtig, vor allem die Ansiedlung beim Kanzleramt. Frauenthemen sind Querschnittsmaterien.
Warum hat es trotz Frauenüberhang bei Türkis-Grün nicht für ein eigenes Ministerium gereicht?
Die Ressortaufteilung stimmt und im Regierungsprogramm sind Maßnahmen verankert, die Frauen unterstützen werden.
Sie haben es abgelehnt, sich als Feministin zu bezeichnen. Was an dieser Bezeichnung stört Sie?
Ich möchte meine Rolle für mich definieren und sehe mich als Kämpferin für Frauenrechte.
Und dafür steht dieser Begriff Ihrer Ansicht nach nicht?
Ich will Frauenpolitik mit Hausverstand machen. Ich bin nicht in die Politik gegangen, um Frauen vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Frauenthemen sind so vielseitig wie wir Frauen selbst. Alle leisten sehr viel und diese Leistungen will ich vor den Vorhang holen.
Mit Hausverstand?
Damit meine ich, dass man auf die Bedürfnisse von allen Frauen eingeht und sie unterstützt.
Eine 40-Prozent-Frauenquote auch für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen – denkbar für Sie?
Bei staatsnahen Betrieben machen wir das. Aber Quoten sind kein Allheilmittel. Die Regierung ist der beste Beweis dafür, dass Gleichstellung auch so möglich ist. Vorbildwirkung ist wichtig.
Für Kritik hat Ihre Aussage in einem Interview gesorgt, wonach Sie noch nie Sexismus am Arbeitsplatz erlebt haben. Halten Sie das für die Norm?
Ich hatte das große Glück, wertschätzende Kollegen und Vorgesetzte zu haben, und bin mir bewusst, dass Sexismus und sexuelle Belästigung für viele Frauen Thema sind. Dagegen möchte ich mit ihnen ankämpfen. Auch der Gewaltschutz ist mir ein großes Anliegen.
Ebendieser Gewalt sind viele Frauen im Land ausgesetzt, vor wenigen Tagen wurde wieder eine Frau ermordet. Wie erklären Sie sich dieses Gewaltpotenzial?
Für mich hat Priorität, dass jede Frau, die Schutz sucht, diesen auch findet. Als Ministerin werde ich die zahlreichen Maßnahmen, die das Regierungsprogramm vorsieht, umsetzen.
Erklärung ist das keine. Wo wollen Sie ansetzen?
Wir werden bei Prävention und Aufklärung ansetzen.
Sie haben im Integrationsbereich einen Import patriarchaler Strukturen beklagt. Woran machen Sie das fest?
Ich habe erlebt, dass Frauen keinen Deutschkurs machen dürfen, weil es der Mann nicht will. Oder dass Mädchen und Burschen in Schulen vorgeschrieben wird, mit wem sie sich treffen dürfen. Es gibt Kulturen, die unsere Wertehaltung anders sehen. Und hier müssen wir die Gleichstellung von Mann und Frau betonen und aufzeigen, wo wir die Grenze ziehen. Es kann nicht sein, dass junge Mädchen ihre Weiblichkeit verhüllen müssen. Darin sehe ich einen Widerspruch zu unseren Werten und da werden wir ein Kopftuchverbot bis 14 durchsetzen.
Sie überlegen eine Ausweitung des Verbotes auf Lehrerinnen, die Grünen sind dagegen. Wollen Sie das trotzdem durchziehen?
Wir sind zwei unterschiedliche Parteien und haben uns auf ein Programm geeinigt und das werden wir jetzt umsetzen.
Aber wie konkret sind die Pläne für die Lehrerinnen jetzt?
Jetzt geht es um die Umsetzung des Programms.
Sie haben sich den Kampf gegen den politischen Islam auf die Fahnen geschrieben. Können Sie konkrete Maßnahmen nennen?
Ich werde eine Dokumentationsstelle für den politischen Islam auf die Beine stellen, die sich die Aktivität von islamischen Vereinen und Bildungseinrichtungen, auch in den sozialen Netzwerken, ansieht. Um Licht in die im Verborgenen liegenden Netzwerke zu bringen.
Sie stehen für Integration durch Leistung. Was verstehen Sie unter einer solchen Leistung?
Integration ist für mich ein beidseitiger Prozess der aufnehmenden Gesellschaft und jener, die aufgenommen werden wollen. Zuwanderer müssen Deutsch lernen, sich um eine Selbsterhaltung bemühen und unser gemeinsames Wertefundament kennen, schätzen und mit Leben erfüllen. Und diese Leistung fordern wir ein.
Was fordern Sie von der „aufnehmenden Gesellschaft“ ein?
Wir sind ein freundliches und offenes Land. Da wird bereits viel geleistet, zum Beispiel im Ehrenamt, das werden wir weiter unterstützen und fördern.
Dennoch beklagen auch Vorzeige-Integrierte wie Ihre Ministerkollegin Alma Zadic täglichen Rassismus – trotz Leistung. Was antworten Sie diesen Klagen?
Wir wollen hier Vorbilder vor den Vorhang holen. Ich habe gesehen, was dieses Land in den letzten Jahren in Sachen Flüchtlingszuwanderung geleistet hat.
Hat sich die Stimmung mit der Flüchtlingskrise 2015 gedreht?
Eine Situation wie damals darf sich nicht wiederholen, mit den Folgen sind wir bis heute beschäftigt und werden es noch länger sein. Österreich hat solide Integrationsstrukturen. Aber dennoch handelt es sich hier um eine Sisyphusarbeit.