Frau Ministerin, Sie wirken sehr entspannt. Wie gegen Sie mit der Hetze gegen Sie und mit der Tatsache um, dass Sie geschützt werden müssen?
ALMA ZADIC: Einfach ist das nicht, aber die Beamten machen einen sehr professionellen Job. Es ist eine ungewohnte Situation, die unter die Haut geht, aber man gewöhnt sich an alles.
Der Bundeskanzler hat gesagt, das müsse man aushalten. Fühlen Sie sich ausreichend unterstützt?
Ich fühle mich von allen unterstützt, dem Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler und dem Nationalratspräsidenten. Solidarität gab es auch von vielen vielen Abgeordneten aus eigentlich allen Parteien. Einerseits sind wir Politiker immer einer öffentlichen Kritik ausgesetzt. Die ist einmal schärfer, einmal weniger scharf. Was aber niemand verdient hat, sind rassistische oder diskriminierende Übergriffe. Davon sind in den Sozialen Netzwerken viele Frauen und Personen mit Migrationshintergrund betroffen. Im Regierungsprogramm ist vorgesehen, dagegen anzugehen, das war uns Grünen wichtig.
Was bedeutet es, wenn es für Menschen mit Migrationshintergrund gefährlicher ist, in die Politik zu gehen als für andere?
Es ist jetzt eben das erste Mal, dass eine Person mit Migrationshintergrund ein Ministeramt bekleidet. Vor ein paar Jahren hätte man sich das vielleicht noch nicht vorstellen können, jetzt ist es Realität und in ein paar Jahren wird es hoffentlich keine große Aufregung mehr sein. Es gibt ja auch eine ungeheure Solidaritätswelle. Mich erreichen auch wunderschöne Nachrichten, besorgte BürgerInnen haben mich sogar im Ministerium angerufen und mich bestärkt, mich ja nicht unterkriegen zu lassen.
Lassen sich die Hetzer ideologisch einordnen?
Wir wissen, dass die Identitären mit ihrer Kampagne diese Sache gestartet haben. Gewisse freiheitliche Politiker haben auch Unwahrheiten verbreitet.
Wissen Sie, wie viele Anzeigen gegen Hassposter es gab?
Das wird jetzt alles gesammelt und ermittelt. Ich persönlich habe noch gar nichts angezeigt. Derzeit wird überlegt, wie man vorgeht, man muss sich dagegen wehren. Was wir prüfen, ist: Wie schafft man effektive Rechtsdurchsetzung bei Hass- und Gewaltdelikten im Netz?
Und wie?
Es wäre wichtig, Formen der Hasskriminalität im Netz, die nicht dem Strafrecht unterliegen, von der Privatanklage weg und hin zu einer Ermittlungspflicht zu bringen. Der Kostendruck bei Privatanklagen ist aufgrund des Aufwandes für die Verfolgung, Ausforschung und Ermittlung für Betroffenen abschreckend hoch. Ein zweiter Punkt, den wir angehen werden, ist, dass Facebook und Google in die Pflicht genommen werden. Es gibt eine Vereinbarung, die nicht funktioniert, man wird das evaluieren müssen. Es wäre sinnvoll, dass Soziale Medien bei Verhetzung und Morddrohungen aufgefordert sind, das zu melden und die Accounts zu sperren.
FPÖ-Parteiobmann Norbert Hofer hat gesagt, es werde mit zweierlei Maß gemessen: Innenminister Herbert Kickl sei aus dem Amt gedrängt worden, weil er nicht gegen Strache ermitteln kann. Sie sind Justizministerin, obwohl Verfahren gegen Ihren Ex-Parteiobmann Peter Pilz laufen.
Also, die Justiz genießt den Ruf, unabhängig zu arbeiten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unabhängig, es ist nicht meine Aufgabe, mich in Verfahren einzumischen. Das würde der Rechtsstaatlichkeit widersprechen.
Die Funktion des Generalstaatsanwaltes steht nicht im Regierungsprogramm, warum?
Das war eine langjährige grüne Forderung, der die ÖVP nicht gefolgt ist. Er ist deshalb derzeit nicht mehrheitsfähig. Wir haben aber die Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und der Korruptionsbekämpfung im Programm. Als eine Lehre aus Ibiza wird der Amtsträgerbegriff evaluiert, da gibt es eine Lücke.
Laut Opposition brauchen wir 100 zusätzliche RichterInnen, 100 neue StatsanwältInnen, ind er Verwaltung sind es 400, in der Justizwache 200. Im Regierungsprogramm steht davon nichts.
Die Budgetverhandlungen stehen an, ich möchte daher nichts präjudizieren. Ich habe im Haus schon viele Gespräche geführt und mir ein Bild gemacht, wo man ansetzen muss. Ich werde bestens vorbereitet in die Verhandlungen gehen. Die Justiz muss die Rahmenbedingungen vorfinden, unter denen sie gut und gestärkt arbeiten kann.
Ihr Vorgänger hat von 90 Millionen Euro Minimum gesprochen, um den Status quo zu erhalten.
Das Regierungsprogramm sieht die ausreichende Ausstattung der Justiz und Reformschritte wie Digitalisierung vor. Dafür braucht es Ressourcen.
Die Sachverständigen drängen auf angemessene Honorare, Gerichtsdolmetscher wollen mehr Honorar als den Gegenwert eines Öffi-Tickets, Anwälte wollen Gerichtsgebühren, die nicht ruinös sind. Wem können Sie Hoffnungen machen?
Wir haben einiges vor: Sachverständigen- und Dolmetschergebühren sowie Senkung der Gerichtsgebühren sind im Regierungsprogramm ausdrücklich genannt. Das sind Dinge, die wir angehen müssen. Wir werden sehen, was am Ende rauskommt.
In Österreich sind mehr als 9000 Personen inhaftiert – zum Teil in maroden Justizanstalten. Wird zu viel eingesperrt?
Der Strafvollzug ist ein Dauerthema, die Einrichtungen sind zum Teil sanierungsbedürftig, es wird nötig sein, sie zu modernisieren. Und ich sehe, dass die Zahlen – auch im Maßnahmenvollzug – steigen. Wir müssen herausfinden, warum, ich gehe Politik gerne fakten- und sachorientiert an. Wir wollen die Zahlen senken, vermehrt die Fußfessel einsetzen und Resozialisierungsmaßnahmen verstärken.
Wie werden Sie sich in der Frage Präventivhaft einbringen?
Für uns ist klar, es gibt keine Kicklsche Sicherungshaft. Wenn, dann wird sie in einen verfassungs-, unions- und menschenrechtskonformen Rahmen eingebettet. Soweit Strafrecht betroffen ist, werde ich als Zuständige eingebunden sein.
Wie wird sich das von einer Grünen geführte Justizministerium von einem unterscheiden, das türkis- oder blau geführt ist?
Ich werde die Schritte setzen, um die Justiz zu modernisieren und bürgernäher zu machen. Das ist mir persönlich sehr wichtig, weil die Justiz für die Menschen da und eine tragende Säule unserer Demokratie ist.