Frau Ministerin, woran wird man heuer schon merken, dass die Grünen in der Regierung sind?
LEONORE GEWESSLER: Wir haben das konkreteste Klimaschutzprogramm, das jemals eine Regierung hatte. Jetzt müssen wir rasch ins Tun kommen. Eines der zentralen Projekte ist die ökosoziale Steuerreform, die in zwei Schritten kommt. Zuerst werden Ökologisierungsmaßnahmen umgesetzt, etwa bei der Pendlerpauschale oder der NoVA. Dafür müssen heuer die Weichen gestellt werden. Wir müssen auch das Erneuerbaren Ausbau Gesetz angehen und den Öffi-Ausbau vorantreiben.
Ihr Ressort gilt als Klima-Superministerium und reicht von der Umwelt und der Energie bis zum Verkehr. Wurde so sichergestellt, dass sich Ihre türkisen Regierungskollegen nicht mit Klimapolitik herumschlagen müssen?
Es ist eine Premiere, dass in einem Ressort so viele zentrale Hebel des Klimaschutzes vereint sind. Das bietet eine große Chance. Aber wir sind natürlich nicht das einzige Ressort, das dafür verantwortlich ist. Klimaschutz ist eine Querschnittsmaterie durch alle Bereiche. Es braucht eine gemeinsame Anstrengung, das Programm auf den Boden zu bringen.
Die Grünen haben vor der Wahl eine CO2-Steuer und eine rasche Öko-Steuerreform gefordert. Jetzt soll dafür erst eine Taskforce gebildet werden. Haben Sie sich von der ÖVP einwickeln lassen?
Nein, das Regierungsprogramm ist hier sehr klar. Der zweite Schritt der ökosozialen Steuerreform mit einer Bepreisung von Emissionen erfolgt 2022. Um das gut vorzubereiten, haben wir uns auf eine gemeinsame Taskforce mit dem Finanzministerium geeinigt. Es gibt viele Modelle, wie eine solche Reform angelegt werden kann. Wir wollen uns anschauen, was das sinnvollste System für Österreich ist.
Das heißt, es gibt eine Garantie der ÖVP, dass das 2022 kommt?
So steht es im Koalitionsabkommen. Eine ökosoziale Steuerreform ist ja auch eine riesige Chance für den Standort, weil sich klimafreundliche Investitionen dann besser rechnen.
Was wäre Ihre Präferenz: Eine CO2-Bepreisung über den Zertifikatehandel nach deutschem Modell oder über Steuern?
Ich möchte mir das offen anschauen. Bisher sind die Konzepte von einer Steuerstrukturreform ausgegangen, aber in Deutschland hat man sich sicher nicht leichtfertig für ein anderes System entschieden.
In welcher Höhe sollte der CO2-Preis liegen, um wirksam zu sein? In Schweden etwa liegt er derzeit bei 115 Euro pro Tonne.
Die Schweden haben vor rund 20 Jahren mit ihrem System begonnen und sind nicht sofort mit diesem Preis eingestiegen. Für Österreich werden wir einen Implementierungspfad entwickeln. Da kann ich nicht mit einer Zahl vorgreifen.
Die Öko-Reform soll aufkommensneutral werden, die Einnahmen sollen also wieder an die Bevölkerung zurückfließen. Wie soll unter dieser Voraussetzung ein Lenkungseffekt entstehen?
Der Lenkungseffekt entsteht zum Zeitpunkt der Entscheidung: Wenn ich mir etwa ein CO2-freies Auto kaufe, weil die NoVA billiger ist. Umweltfreundliches Verhalten soll die erste Wahl werden, weil es bequem und günstiger wird.
Ziel ist es, Österreich bis 2040 CO2-neutral zu machen. Dafür müssten die Emissionen jedes Jahr um vier Millionen Tonnen sinken. Wird das die Messlatte für Ihren politischen Erfolg sein?
Es gibt in unserem Programm viele Projekte, die den Weg zur Klimaneutralität weisen. Wenn wir die großen Weichenstellungen hinbekommen, kann ich nach fünf Jahren zurückschauen und sagen: Ja, da ist wirklich etwas gelungen. Es wird bei den Emissionen aber nicht so sein, dass wir von null auf hundert einen linearen Reduktionspfad hinbekommen. Es geht einmal um die Trendwende.
Der ÖVP wurde eine Klausel zugestanden, im Fall einer Migrationskrise ohne die Grünen eine Mehrheit finden zu dürfen. Warum gibt es nichts Vergleichbares für die Klimakrise?
Wir haben uns beim Klima für die nächsten Jahre enorm viel vorgenommen. Ich denke, wir werden unsere Chancen nützen. In zwei Jahren können wir gerne Zwischenbilanz ziehen.
Sie haben immer wieder die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen gefordert. Dazu gehört das Dieselprivileg. Muss es fallen?
Wir wollen einige der umweltschädlichen Subventionen angehen. Wie man mit dem Dieselprivileg umgeht und wie das dann im Zusammenhang mit einer CO2-Bepreisung funktionieren wird, wird Thema in der Taskforce mit dem Finanzministerium sein. Wir werden das tabulos diskutieren.
Parallel gibt es ein umfangreiches Ausbauprogramm der Asfinag für Autobahnen und Schnellstraßen. Wird das mit Ihnen als Ministerin zu beibehalten?
Natürlich stellt der Infrastrukturausbau Weichen für die Zukunft. Auch dieser Sektor ist auf die Klimaziele auszurichten.
Was darf man sich unter der geplanten Ökologisierung der Pendlerpauschale vorstellen? Weniger Geld für Pendler mit SUVs?
Die Grundintention ist auch hier dieselbe: Das Pendeln muss ökologischer werden, wir wollen hier den Gebrauch von öffentlichen Verkehrsmitteln finanziell gleichstellen. Klar ist: Die dicken SUVs werden teurer werden. Jeder von uns will mobil sein und dieses Bedürfnis wollen wir möglichst umweltfreundlich abdecken. Klimaschonendes Verhalten soll sich lohnen für jede und jeden von uns.
Das Umweltbundesamt hat als mögliche effiziente Maßnahme auch Tempo 100 auf Autobahnen vorgeschlagen. Für Sie denkbar?
Wir haben eine Vielzahl an Maßnahmen im Verkehrsbereich geplant. Diese zentralen Punkte, wollen wir jetzt einmal angehen.
Derzeit also keine Notwendigkeit, am 130er zu rütteln?
Ich sehe eine Notwendigkeit, am 140er zu rütteln (der seit Türkis-Blau auf Teststrecken gilt, Anm.). Das ist im Programm verankert.
Ist die entsprechende Verordnung schon zurückgenommen?
Nein, ich bin ja erst zwei Tage im Amt.
Sie haben immer gesagt, Fliegen ist im Vergleich zum Zugfahren zu billig. Jetzt planen Sie eine Flugticketabgabe von zwölf Euro. Ist das ausreichend, um ein Gleichgewicht herzustellen?
Für die Kurzstrecke ist diese Abgabe im Vergleich zu jetzt fast eine Vervierfachung. Gleichzeitig wollen wir auf den entsprechenden Strecken das Bahnangebot ausweiten . . .
. . . eine weitere Erhöhung der Abgabe ist nicht nötig? In Deutschland beträgt sie ab April bis zu 60 Euro.
Jetzt machen wir einmal den ersten Schritt. Es ist ja nicht die einzige Maßnahme im Flugverkehr, die wir vorgesehen haben.
Zur dritten Flughafenpiste für Schwechat findet sich im Regierungsprogramm nichts. Haben Sie sich mit dem Bau abgefunden?
Für die dritte Piste gibt es ein abgeschlossenes Verfahren. Die Frage ist: Wird es dafür wirklich einen Bedarf geben?