Die FPÖ hat mit dem Umbau ihrer zuletzt von Skandalen erschütterten Parteistruktur begonnen – bei den Generalsekretären. Sowohl Harald Vilimsky, der diese Funktion 14 Jahre ausgeübt hat, als auch Christian Hafenecker haben zum Auftakt der „Reformklausur“ in Leoben ihren freiwilligen Rückzug angekündigt. An ihrer Stelle übernimmt der niederösterreichische Nationalratsabgeordnete und Vizebürgermeister von Wiener Neustadt, Michael Schnedlitz.

Zu Beginn der Pressekonferenz zeigte sich Parteichef Norbert Hofer "gut gelaunt", weil man die Weichen neu gestellt hat, "aber auch ein bissl schlecht gelaunt" auf Grund der neuen Regierung. Hier sehe er "viele Probleme im Alltag", wenn die "Honeymoon Phase erst vorbei ist". Besonders im Bereich Verteidigung und Arbeitsmarkt gebe es zahlreiche geplante Maßnahmen, die man nicht unterstützen könne. Bei der Sicherungshaft glaube Hofer zudem nicht, dass diese mit den Grünen umgesetzt werde. Die Grünen versuchen laut Hofer, "der ÖVP maximal zu schaden".

Neuer "Compliance Officer"

Hinsichtlich der eigenen Zukunft habe man sich neu aufgestellt. Ein neues Regelwerk mit eigenem "Compliance Officer" werde künftig dafür sorgen, dass er sich als Parteichef "keine Sorgen mehr machen muss". Inhaltlich wolle man sich in bekannten Bereichen vertiefen, aber sich auch "Satellitenthemen" zu widmen. "Ich kann mich jetzt endlich wieder mit Inhalten beschäftigen", nach der Causa Strache habe er das bereits vermisst.

Der Leiter der Compliance Gruppe, Manfred Haimbuchner, stellte die Eckpunkte seiner Reformgruppe vor. Gemeinsam mit externen Experten habe man sich an einem Zeitplan für Unternehmen orientiert. Ende 2020 werde man mit der Umsetzung beginnen, um "nichts zu überstürzen". Ein komplexer Umsetzungsplan mit entsprechendem Handbuch sei erarbeitet worden, das vom Parteivorstand einstimmig abgesegnet worden sei. "Überall dort, wo FPÖ oben steht, wird auch CMS drin stehen." Es werde also ein Compliance Management System für alle geben, auch für die Vorfeldorganisationen.

"Die FPÖ war immer eine moderne Partei", so Haimbuchner, vor allem in Sachen Social Media. "Und es ist einfach state of the art in der Privatwirtschaft, einen Verhaltenskondex zu haben." Künftig werde also klar sein, was man annehmen darf und es werde sichergestellt, "das Schlampereien nicht mehr passieren". Das werde man künftig gewährleisten können. Details des Comliance-Plans will die Partei jedoch erst Ende des Jahres präsentieren. "Es ist ja keine Kleinigkeit, diese Richtlinien in einer großen Partei zu etablieren", betonte Hofer.

Neuer Fokus auf politischen Islam

Auch inhaltlich soll einiges anders werden, erklärte der Welser Bürgermeister Andras Rabl, Leiter der Reformgruppe. Man habe eine breit angelegte Befragung unter den eigenen Mitgliedern durchgeführt, um aus "der eignen Blase" zu kommen. Daraus habe sich gezeigt, dass man die Wahl 2019 nicht aufgrund fehlender Klima-Inhalte, sondern danke der Nachwehen des Ibiza-Skandals verloren habe. Dennoch wolle man sich diesem Thema künftig mehr widmen. An den Kernthemen Heimat und Sicherheit werde sich jedoch nichts ändern. Neue Schwerpunkte sollen aber beispielsweise im Bereichen "politischer Islam" und Missbrauch von Sozialleistungen gesetzt werden. Der Begriff "Heimat" solle zudem breiter gedacht werden, unter anderem soll hier ein Ausbau der Infrastruktur am Land im Fokus stehen.

Die Schlagworte Familie, Freiheit und Renaissance der Werte sollen künftig im Zentrum stehen. Im Bereich Familie müsse es unter anderem Wahlfreiheit geben, ob man bei den Kindern bleibt oder arbeiten geht, was durch einen Ausbau der Kinderbetreuung gewährleistet werden soll. Auch das Thema Home Office müsse angegangen werden, Unternehmen müssen hier mehr Flexibilität zeigen. Auch ein verpflichtendes, zweites Kindergartenjahr für Kinder mit Sprachproblemen müsse verfolgt werden. Auch hier zeige sich wieder die Wichtigkeit von Kinderbetreuungsplätzen, so Rabl.

Für die Freiheit in allen Bereichen wolle sich die Partei ebenfalls einsetzen. Wahlfreiheit bei Kinderbetreuung, die freie Meinungsäußerung und die direkte Demokratie seien dafür zentral. Letzteres solle auch innerhalb der Partei gewährleistet sein.

"Wir sind keine Gesinnungsschnüffler"

Im Bereich Kommunikation wolle man künftig mehr auf "Erklärvideos" setzen, "da immer weniger gelesen wird", so Rabl. Damit wolle man blaue Themen künftig kommunizieren, auch ein Ausbau im Bereich Social Media sei hierfür angedacht.

Angesprochen auf die Abgrenzung zum rechten Rand erklärte Hofer, sich künftige Parteimitglieder "ganz genau anzuschauen" und sie "zu ihrem Weltbild zu befragen". Hier brauche es strengere Kriterien. "Aber wir sind keine Gesinnungsschnüffler." Angesprochen auf Schnedlitz' Sage zu den Identitären betonte Hofer, dass es sich bei der Rede damals "um eine andere Situation gehandelt" habe. Damals sei noch nicht absehbar gewesen, in welche Richtung sich diese Bewegung entwickeln werde. Die Abgrenzung der Partei bleibe bestehen. "Schnedlitz ist ein ruhiger, besonnener Mensch", der seiner Aufgabe gut nachkommen wird, so Hofer. Das Auftauchen künftiger "Einzelfälle" könne aber auch mit einer Parteireform nicht garantiert werden. "Auch in einer Großfamilie verhalten sich nicht immer alle richtig."

Angesprochen auf die Burgenland-Wahl zeigte sich Hofer gelassen. Er hoffe auf eine Fortsetzung der Koalition mit der SPÖ. "Ich bin guter Dinge."

Bleibt EU-Delegationsleiter

Der scheidende Vilimsky will indes seine Funktion als FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament behalten. Parteiintern gilt auch als ausgemacht, dass Vilimsky den Wiener Wahlkampf „retten“ soll – etwa als Wahlkampfleiter.

Vilimsky war einer der längstdienenden Generalsekretäre einer Partei in Österreich. „Es war mehr als an der Zeit zu übergeben“, sagt er. Den Schritt habe er immer wieder aufgeschoben, zuletzt aufgrund der Parteikrise, die durch das Ibiza-Video und den folgenden Spesenskandal verursacht wurde.

Betont "freiwilligen Rückzug"

Auch Hafenecker, der erst seit Mai 2018 freiheitlicher Generalsekretär war, betont, dass es sich um einen „freiwilligen Rückzug“ handle. Es sei an der Zeit, an eine jüngere Person zu übergeben. Er bleibt weiterhin stellvertretender Landesobmann der Freiheitlichen in Niederösterreich und will auch eine „wesentliche Rolle“ im Parlamentsklub spielen. Auch seine Entscheidung sei schon länger festgestanden.

Landbauer-Vertrauter

Der designierte Generalsekretär Schnedlitz gilt als Vertrauter des niederösterreichischen Landesparteichefs Udo Landbauer. Der 35-Jährige soll nun als alleiniger Generalsekretär fungieren, kündigt Parteichef Norbert Hofer an.

Die Wahl des neuen Generalsekretärs dürfte nicht kritiklos hingenommen werden. Laut „SOS Mitmensch“ soll er bei einer Kundgebung im Jahr 2016 explizit die rechtsextremen Identitären begrüßt haben, von denen sich die FPÖ zuletzt distanzieren wollte. Eigentlich hätten andere Themen die zweitägige Klausur im steirischen Leoben dominieren sollen. So wollen sich die Freiheitlichen strenge Compliance-Regeln verordnen. Auch Richtlinien zu strengeren Maßstäben für eine Mitgliedschaft bei den Freiheitlichen sollen verabschiedet werden. Die Kommunikation soll moderner werden, etwa durch Videokonferenzen.

Mit der Ausarbeitung des neuen, moderneren Auftritts waren der Welser Bürgermeister Andreas Rabl, Salzburgs Landesparteichefin Marlene Svazek und Vorarlbergs Parteichef Christof Bitschi beauftragt gewesen. Über die Ergebnisse soll heute, Donnerstag, in einer Pressekonferenz informiert werden.