Die türkis-grüne Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit insgesamt 14 Ministern und zwei Staatssekretären ist am Dienstag in der Hofburg von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt worden. Damit hat Österreich genau 100 Tage nach der Nationalratswahl erstmals eine Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen.
Die Objektive der Kameras seien in den letzten Monaten ungewöhnlich oft auf diesen Raum gerichtet gewesen, so Van der Bellen: "Heute schließt sich der Kreis", erklärte der Bundespräsident. "Unsere Demokratie ist lebendig. Sie hat die Kraft zur Selbstreinigung und Erneuerung. (...) Wir haben das gemeinsam ganz gut hingekriegt. Das stimmt mich optimistisch", so der Bundespräsident, der sich ausdrücklich bei der Regierung Brigitte Bierlein bedankte. "Diese Regierung hat der Republik eine großen Dienst erweisen."
An die neuen türkis-grünen Minister gerichtet mahnte Van der Bellen: "Ihnen wird Macht in die Hände gelegt. Macht bracht Kontrolle und Balance. Macht ist Mittel und nicht Zweck", so das Staatsoberhaupt.
Bierlein übergab erleichtert
Sichtlich leichten Herzens hat Bierlein danach aus dem Kanzleramt Abschied genommen. Bei der Amtsübergabe an Kurz betonte seine Vorgängerin, dass die Regierung weit über die Grenzen hinaus Vorbild sein werde. Besonders erfreut war sie darüber, dass das Kabinett sehr weiblich geprägt sei.
Dank Bierleins gab es sowohl für die Minister ihres Übergangskabinetts als auch für die Mitarbeiter des Kanzleramts, die sie Kurz ans Herz legte: "Sie kennen sie ja." Abgeschlossen wurde ihre Zeit im Kanzleramt von Bierlein mit den Worten: "Es lebe unsere Republik Österreich."
Kurz, der die scheidende Regierungschefin mit einem Blumenstrauß beschenkte, dankte ihr nicht nur dafür, dass sie sich für das Amt zur Verfügung gestellt habe, sondern auch dafür, wie sie es ausgeübt habe.
14 Minister, zwei Staatssekretäre
Die ÖVP stellt in der neuen Regierung neben dem Bundeskanzler mit Sebastian Kurz zehn Minister und einen Staatssekretär, die Grünen des künftigen Vize-Kanzlers Werner Kogler vier Minister (inklusive Vizekanzler Werner Kogler) und eine Staatssekretärin.
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Minister übernahmen Ämter
Im Anschluss an ihr erstes Gruppenfoto im Kanzleramt schwirrten die neuen Minister aus, um ihre Ämter zu beziehen. Neue Wege ging hier Werner Kogler, der seinen Amtssitz nicht im "klassischen" Vizekanzlerbüro am Minoritenplatz errichtete, sondern im Gebäude des Infrastrukturministeriums - wo er mit steirischer Blasmusik empfangen wurde. Dort residiert er neben der örtlichen grünen Ressortchefin Leonore Gewessler und deren Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) und in unmittelbarer Nachbarschaft zum ebenfalls grünen Sozialministerium.
Mit militärischen Eheren wurde in der Rossauer Kaserne die neue Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) empfangen - die erste Frau in dieser Funktion. Die neue Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) kam am Dienstag mit dem Rad zur Amtsübergabe. Gernot Blümel (ÖVP) lobte bei der Übergabe im Finanzministerium die Beamten des Hauses für ihre "professionelle Arbeit". Als "tolles Haus" bezeichnete Rudi Anschober (Grüne) sein Sozialministerium.
Den ersten Ministerrat wird die neue Regierung am Mittwoch abhalten, die Regierungserklärung von Kanzler Kurz im Nationalrat soll am Donnerstag oder Freitag folgen.
SPÖ bietet Regierung Hand, FPÖ beklagt Macht der ÖVP
Von der SPÖ wurde die neue Regierung nach der massiven Kritik der vergangenen Tage am Regierungsprogramm (Stichwort: türkises Programm mit grüner Tarnfarbe) konziliant empfangen: Nationalratspräsidentin Doris Bures und Landeshauptmann Peter Kaiser gratulierten und signalisierten die Bereitschaft zu Gesprächen auf Augenhöhe.
Anders die FPÖ, die Bundespräsident Van der Bellen vorwarf, der ÖVP zur "totalen strukturellen Macht" zu verhelfen. Einmal mehr schoss er sich auch auf die Grüne Alma Zadic ein. Gegen die in Bosnien geborene erste Justizministerin mit Migrationshintergrund hatte es schon am Wochenende eine Reihe von gehässigen und teils rassistischen User-Kommentaren auf den Facebook-Seiten diverser FPÖ-Politiker gegeben.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger wünschte der neuen Regierung "alles Gute". "Jetzt gilt es, die vielfach vagen Absichtserklärungen des Regierungsprogramms mit Leben zu füllen", meinte sie.
Putin gratulierte Kurz
Der russische Präsident Wladimir Putin hat Sebastian Kurz anlässlich seines Amtsantritts als Bundeskanzler "aufrichtig" gratuliert. Dies geht aus einem Schreiben hervor, das die russische Botschaft in Wien auf Facebook und Twitter postete. Putin betonte darin laut "inoffizieller Übersetzung", dass die bilateralen "Beziehungen traditionsgebunden einen konstruktiven Charakter tragen".
"Ich rechne damit, dass Ihre Tätigkeit an der Spitze der Regierung zu der weiteren Entwicklung des politischen Dialogs, zur fruchtvollen bilateralen Kooperation in verschiedenen Bereichen - zum Wohl unserer Völker, im Interesse der Stärkung der Stabilität und Sicherheit in Europa beitragen wird", schrieb Putin demnach an Bundeskanzler Kurz. Die beiden Politiker waren bereits mehrmals zusammengetroffen.
Guterres erwartet "gerechtere und effektivere Politik"
UNO-Generalsekretär António Guterres begrüßt den hohen Frauenanteil der neuen türkis-grünen Bundesregierung. "Österreich schließt sich nun einer Reihe anderer Länder an - von Äthiopien bis Kanada, Ruanda und anderen mit gleicher Vertretung von Frauen und Männern in den höchsten Entscheidungsebenen", betonte Guterres am Dienstag auf APA-Anfrage.
Dies sei nicht nur "ein grundlegendes demokratisches Recht", ergänzte Guterres nach Angaben seines Sprechers. Damit verbunden seien auch "stärkere Ergebnisse" der Regierung, "die integrativer sind und zu einer gerechteren und effektiveren Politik führen", so Guterres.
Erstmals gehören der am Dienstag angelobten Regierung mehr Frauen als Männer an. Neun der 17 Posten (inklusive Staatssekretäre) sind weiblich besetzt, das sind fast 53 Prozent.