Liebe Freundinnen und Freunde der grünen Bewegung, liebe Delegierte des Bundeskongresses!
Eine Gruppe entschlossener Menschen (Gerd, Fritz, Fritz, Franz, Mathias, Andreas und Christian) hatte sich im Jahre 1982 im Schloss Trautenfels getroffen, um eine Partei zu gründen. Wir hatten die Friedensbewegung mitgemacht, aus den 68ern gelernt, die Emanzipationsbewegung kam in Schwung, die Ökologie- und Antiatombewegung formierte sich weiter, erste Erfahrungen als alternative Gemeinderätinnen wurden gemacht und wir hatten den festen Willen, eine politische Organisation, eine Partei zu gründen, die anders war als die damals und heute bestehenden. Und wir hatten einen Traum: die Vorstellung von einer gerechteren Gesellschaft, die eine „alternative“ zur bestehenden werden sollte.
Essay von Andreas Khol
Heftig bekämpft von den Etablierten rangen wir um die Anerkennung einer gemeinsamen politischen Grundlage für unsere Anliegen. Wir sahen den Wald bedroht und unsere Flüsse vergiftet. Der zweitgrößte Fluss Österreichs, die Mur, war der am meisten verschmutzte Europas! Viele dieser Anfänge scheinen gänzlich vergessen zu sein.
Vor der Partei waren Bewegungen
Die Grünbewegung begann nicht mit dem Einzug ins Parlament, nicht mit der Bürgerinitiative Parlament (BIP). Vor der Partei waren Bewegungen. Daran möchte ich erinnern, weil aus der Verkennung und dem Vergessen der Geschichte Fehler entstehen. Die Wiederholung der Fehler hat unter anderem dazu geführt, dass wir aus dem Parlament geflogen sind. Beim ersten Bundeskongress in Klagenfurt nannten wir uns dann „Die Grüne Alternative“.
Heute soll dieser Kongress beschließen, dass die Nachkommen der Gründungsgeneration eine Regierung mit den „neuen“ Konservativen eingehen. Und er soll über ein „Paket“ urteilen, das den Delegierten erst kurz davor zugeschickt worden ist.
Woher eigentlich plötzlich die Eile? Wäre es nicht notwendig, dem Kongress ein echtes Mitspracherecht einzuräumen?
Dass auf ihm noch jene Stimmen vorgebracht und bedacht werden, die zu einer Nachverhandlung führen könnten. Alles ist so angelegt, dass das unmöglich erscheint.
Ich bin für ein Ja zu dieser Koalition
Vorab: Ich bin für ein Ja zu dieser Koalition mit den Konservativen. Wir sind ja selbst, was die Umwelt betrifft, „konservativ“, aber ich bin dagegen, dass bei der Erstellung des Regierungsprogramms davon ausgegangen wird, dass es zwei Welten gibt, die der ÖVP und die der Grünen und deren Wahlkampfforderungen.
Haben wir nicht immer gesagt, dass es nur eine Welt gibt? Die Welt richtet sich nicht nach den Wahlslogans der Parteien, auch nicht nach denen der Grünen. Die Klimaschutzbewegung ist die Folge der realen Zerstörung von Umwelt und Lebensmöglichkeiten und der Träume allzu vieler Jugendlicher auf unserer Erde.
Wir wissen, dass sich die Produktionsbedingungen tief greifend verändern müssen, wenn wir die Welt vor der unheilbringenden Erwärmung retten wollen. Das haben die grünen Mandatare als erste in die politische Arena gebracht. Erforscht haben es die Wissenschaftler und groß ins Gewissen der Welt gerückt haben es die Hunderttausenden, die auf der ganzen Welt diese Erkenntnisse ERNST genommen haben und die politische Konsequenzen forderten. Das hat die Grünen nach schweren inhaltlichen und strukturellen Fehlern wieder ins Parlament gebracht!
Zusammenarbeit mit "Routiniers der Macht"
Die Jugendlichen wollen den Wechsel „jetzt“! Wissen sie, was es heißt, und wollen sie es wissen, was es heißt, mit Routiniers der Macht und der Verwaltung zusammenzuarbeiten? Wissen das unsere Delegierten? Haben wir in den Bundesländern gezeigt, wie die Antwort in einer Koalition lauten muss?
Als der Innsbrucker Bürgermeister den Vorschlag machte, dass das Finanzministerium verlangt werden soll, hat man ihm rasch erklärt, er solle solche „Zwischenrufe“ unterlassen, und bescheiden wie er ist, hat er das dann auch kürzlich gleich eingesehen.
Warum so bescheiden?
Warum die Zurückhaltung?
Was soll das?
Was ist da los? Greta Thunberg oder „System change, not climate change“ sprechen eine andere Sprache.
Wie sollen die Grünen Einfluss auf die Geld- und Wirtschaftspolitik nehmen können, wenn sie sogar auf ein Staatssekretariat im Finanzministerium verzichten mussten? Während die ÖVP selbstverständlich einen Staatssekretär ins neue große Umweltministerium setzt, geben wir diesen wichtigen Anspruch auf! Wieso übernimmt Werner Kogler nicht das Wirtschaftsministerium, in dem die Weichen für ein neues Wirtschaften gelegt werden müssen? Haben die VertreterInnen der „konservativen“ Wirtschaftspartei schon begriffen und gezeigt, was es zu tun gilt? Darf man sie ohne Weiteres, auch wenn man grundsätzlich anderer Meinung ist, „ihre Wahlversprechen“ erfüllen lassen?
"Werner Kogler soll Wirtschaftsminister werden"
Ich bin hier nicht stimmberechtigt. Trotzdem bringe ich den Antrag ein: Kogler soll Wirtschaftsminister werden oder es soll ein grünes Staatssekretariat im Finanzministerium eingerichtet werden.
Den Machtverhältnissen aus den Wahlen mag dies nicht entsprechen, aber ich bin überzeugt, dass in den Ressorts Entscheidendes von grüner Seite eingebracht werden könnte. Hätten Schramböck oder Blümel die ökologische Dimension in ihr politisches Handeln integriert, würde ihr Weg anders aussehen. Vor allem wäre bereits eine ökosoziale Steuerreform ihrerseits auf dem Verhandlungstisch gelandet und es müsste nicht unser Herzstück einer effizienten Klimapolitik auf 2022 vertagt werden.
Josef Riegler, ehemaliger Landwirtschaftsminister und Vizekanzler, wagte ökologische Reformen schon vor mehr als 30 Jahren und wurde als ÖVP-Chef brutal demontiert. Franz Fischler, einst mächtiger EU-Kommissar, hat vor zehn Jahren eine ökologische Steuerreform eingefordert. Seine Partei hat immer gebremst.
Noch ein Anlauf zur ökologischen Steuerreform
2008 sollte nochmals unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer eine ökologische Steuerreform verhandelt und beschlossen werden. Die Grundlagen wurden von den Expertinnen im Bundeskanzleramt erarbeitet und vorbereitet. Eine hochkarätige Arbeitsgruppe wurde mit Ex-Finanzminister Lacina, Fischler und dem damaligen Klubobmann der Grünen, Alexander Van der Bellen, formiert. Umweltminister Pröll ließ nach relativ kurzer Zeit ausrichten: „Das Unternehmen ökologische Steuerreform ist vorbei!“ Und jetzt versucht Kurz nochmals mit seiner neuen ÖVP (das letzte Mal?) die grünen Verhandler zu bremsen.
Werner Kogler muss die Diskussion mit der Beamtenschaft und mit der ohnehin schon zum Teil aufgeklärten Bevölkerung organisieren, damit sich bei der Regierung und der gesetzgebenden parlamentarischen Körperschaft die tiefen und grundsätzlichen Erkenntnisse der Erneuerung durchsetzen und sie in Gesetze gefasst werden und so Regeln unseres Lebens politisch neu angelegt werden. In Frankreich sieht man, dass die Regierung viele Fehler macht, weil sie zu zentralistisch und abgehoben agiert. Davor sind auch Grüne keinesfalls gefeit.
Macht euch auch an die Überzeugungsarbeit und verliert euch nicht. Die Basis der Erneuerung liegt in der Bewegung. Die Regierungsarbeit kann eine Krönung sein oder das zu frühe Ende.
Ich wünsche euch eine kluge Entscheidung und der neuen türkis-grünen Regierung alles Gute!
Andreas Wabl